Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 08.05.2020

„Bridge Over Troubled Water“ / In die Welt von morgen investieren / #AIForFuture

Wir leben in turbulenten Zeiten. Bereits im Jahr 2019 (in dem die Aktienkurse wohlgemerkt auf Allzeithöchststände kletterten) haben wir unsere Anleger immer wieder auf beträchtliche Risiken hingewiesen. Wir haben wiederholt betont, dass im vergangenen Jahr ganz ähnliche Bedingungen herrschten wie ansonsten im Vorfeld von Rezessionen.

Und wir haben drei potenzielle Faktoren benannt, aufgrund derer sich die Wachstumsverlangsamung zu einem regelrechten Abschwung auswachsen könnte: erstens der Handelskonflikt zwischen den USA und China, zweitens die hohe Unternehmensverschuldung und die zum Ende eines Konjunkturzyklus übliche Inflationsbeschleunigung aufgrund knapper Kapazitäten und drittens Zinsanhebungen der USNotenbank Federal Reserve („Fed“). Dass der Abschwung dann durch eine globale Pandemie ausgelöst werden würde, ließ sich nicht vorhersehen. Durch die Pandemie hat sich die ohnehin schon angespannte Lage zusätzlich verschärft

Die derzeitige Rezession ist in mehrfacher Hinsicht untypisch. Sie ging weder von der Industrie noch vom Banken- oder Immobiliensektor aus. Sie zieht nicht nur die Konsumnachfrage, die Lieferketten oder die Unternehmensinvestitionen in Mitleidenschaft. Sie ist nicht auf eines oder wenige Länder beschränkt. Vielmehr erfasst sie die ganze Welt und ist bisher vor allem auf die Auswirkungen der notwendigen „sozialen Distanzierung“ zurückzuführen. Arbeit in Fabriken ist nicht ohne weiteres möglich, wenn sich die Belegschaft womöglich gegenseitig ansteckt. Restaurants und Fluggesellschaften können ihre Dienstleistungen nicht wie gewohnt anbieten, wenn dies zu Infektionen bei den Kunden führen kann.

Die Lösung scheint ganz einfach. Unsere Analysten für den Gesundheitssektor gehen davon aus, dass ein Impfstoff in der Rekordzeit von 12 – 18 Monaten entwickelt werden könnte. In der Zwischenzeit brauchen wir „Brücken“: Konjunkturpakete, die private Haushalte und Unternehmen unterstützen, Finanzierungsfazilitäten, um eine Liquiditätskrise zu verhindern, und Behandlungsmöglichkeiten, damit sich die Erkrankten rascher erholen und die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens verringert wird.

Außerdem benötigen wir innovative Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Umfassende Quarantänevorschriften, Ausgangssperren und Unternehmensschließungen wirken sich unvermeidlich auf die Wirtschaft aus. Vielleicht können die Ansteckungsraten auch durch andere Maßnahmen verringert werden: umfassende Tests, Nachverfolgung von Kontakten, Standort-Apps, „Mikro-Quarantäne“, obligatorische Messungen der Körpertemperatur, bevor die Menschen Zutritt zu bestimmten Orten erhalten, etc. So könnte das Virus „umgangen“ werden – ein potenziell vielversprechendes Konzept.

Die kommende Woche

In der kommenden Woche werden weniger Wirtschaftsdaten veröffentlicht als sonst. Allerdings stehen einige wichtige Daten an, anhand derer Anleger ablesen können, wie sich die Pandemie auf die Weltwirtschaft auswirkt und wie eine Erholung verlaufen könnte.

China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und das erste Land, das die Pandemie wirksam eingedämmt hat, dürfte dabei viel Aufmerksamkeit gelten. Voraussichtlich wird sich der Disinflationsdruck verstärken; gleichzeitig sollte jedoch die Schwäche in der Industrieproduktion, bei den Anlageinvestitionen und den Einzelhandelsumsätzen langsam überwunden werden. Im asiatischen Raum sind auch die Daten aus Japan von Interesse, wo sich die Frühindikatoren vor kurzem vom tiefsten Stand seit mindestens einem Jahrzehnt wieder nach oben bewegt haben.

In Europa sind vor allem die vorläufigen Daten zum BIP im ersten Quartal 2020 von Bedeutung. Im Euroraum könnte das BIP um 3,8% gegenüber dem Vorquartal geschrumpft sein, was die ungünstigste Entwicklung mindestens seit 1999, dem Einführungsjahr des Euro, wäre. In Deutschland wird eine BIP-Kontraktion um 1,1% gegenüber dem Vorquartal erwartet, was das schwächste Ergebnis seit der globalen Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 wäre.

In den USA werden mehr Daten veröffentlicht. Ähnlich wie in China dürfte sich die Disinflation bei den Verbraucherpreisen beschleunigen. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung könnte auf unter drei Millionen sinken, dürfte aber immer noch deutlich über dem Vor-PandemieHöchststand von unter 700.000 liegen. Die Einzelhandelsumsätze sind in den USA im April voraussichtlich um 14% gegenüber dem Vormonat eingebrochen und damit deutlich stärker zurückgegangen als im März, in dem mit -8,7% bereits ein Negativrekord verzeichnet wurde. Die Industrieproduktion schrumpfte voraussichtlich um 10,5% gegenüber dem Vormonat, d.h. so stark wie nie zuvor seit Beginn der Datenreihe im Jahr 1919.

Active is: Technische Daten im Blick behalten

Chancenreiche Vermögenswerte haben sich in den vergangenen Wochen merklich erholt, weil sich die Ausbreitung des Virus verlangsamt, die Volkswirtschaften wieder hochgefahren werden und umfangreiche geld- und fiskalpolitische Maßnahmen ergriffen wurden. Zahlreiche leicht zu erreichende Erfolge sind inzwischen eingefahren. Eine Vielzahl guter Nachrichten ist inzwischen eingepreist, aber dennoch bleibt die virusbedingte Unsicherheit hoch. Aus technischer Sicht ist zudem zu bedenken, dass bis September ohnehin gewisse saisonale Herausforderungen an den Märkten bestehen; man denke an die alte Börsenweisheit „Sell in May and go away“ (vgl. unsere Grafik der Woche). Die Aktienkurse dürften zwar nicht auf neue Tiefstände fallen, aber mit weiteren Zugewinnen ist in nächster Zeit wohl auch nicht unbedingt zu rechnen.

Wir brauchen „Brücken“ über die aufgewühlte See der Weltwirtschaft.

Greg Meier
Senior Economist Direktor


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