„Big Beautiful Bill” markiert Wende in der US-Finanzpolitik

Amundi

Amundi Artikel vom 29.07.2025

Der One Big, Beautiful Bill Act (OBBBA) markiert eine Wende in der US-Finanzpolitik und bildet den Kern der Agenda für Trumps zweite Amtszeit. Der OBBBA kombiniert erhebliche Steuersenkungen mit beispiellosen Kürzungen bei Sozialprogrammen und erhöhten Sicherheitsausgaben. 

Ein kostspieliges und sozial regressives Unterfangen

Die Steuersenkungen von 2017 werden dauerhaft beibehalten und weitere Steuersenkungen eingeführt, darunter eine Steuerbefreiung für Trinkgelder und Überstunden, Steuerabzüge für Senioren und eine Anhebung der Obergrenze für den Abzug von staatlichen und lokalen Steuern (SALT) von 10.000 USD auf 40.000 USD. Für Sicherheit und Verteidigung werden höhere Summen bereitgestellt: 170 Mrd. USD für die Grenzsicherheit und 150 Mrd. USD für die Verteidigung.

Subventionen für den Umweltschutz werden eingeschränkt; zahlreiche Anreize für erneuerbare Energien werden zugunsten von Maßnahmen zur Förderung fossiler Brennstoffe und der Kernenergie gestrichen. Durch die beschlossenen Einschnitte bei den Sozialleistungen könnten 12 Mio. Menschen den Zugang zu Medicaid und dem Lebensmittelhilfsprogramm SNAP1 verlieren.

Die Steuersenkungen werden mit 4,5 Bio. USD über einen Zeitraum von zehn Jahren bewertet, wohingegen nur 1,5 Bio. USD an Ausgabeneinsparungen erzielt werden, womit sich die Verschuldung  um mehr als 3 Bio. USD erhöhen würde.

Eine kurze fiskalische Belebung

Die beiden obersten Einkommensquintile, auf die mehr als 60 % des privaten Konsums entfallen, werden in vollem Umfang von den neuen Maßnahmen profitieren. Andererseits werden die Haushalte mit den niedrigsten Einkommen erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Unternehmen profitieren unterdessen von der Wiedereinführung der sofortigen Steuererleichterung von 100 % auf Investitionen.

Entscheidend ist der Zeitpunkt der jeweiligen Maßnahmen. Während die Steuersenkungen sofort in Kraft treten (einige sogar rückwirkend), werden die geplanten Kürzungen der Sozialausgaben auf den 1. Oktober 2026 – also unmittelbar vor den Zwischenwahlen zum Kongress - verschoben. So wird die Wirtschaftstätigkeit zunächst angekurbelt. Das US-BIP könnte im zweiten Halbjahr 2025 und ersten Halbjahr 2026 schätzungsweise um 0,2 Prozentpunkte steigen. Diese Konjunkturmaßnahmen sind jedoch nicht nachhaltig. Die Verluste der benachteiligten Gruppen werden letztendlich die durch Steuersenkungen erzielte Nachfragesteigerung überwiegen. Zudem können die Nachfrageimpulse die Auswirkungen der Handelszölle nur teilweise ausgleichen. 

Zolleinigung vor Ablauf der Augustfristen

Am Wochenende einigten sich die USA und Europa auf einen einheitlichen Zollsatz von 15 % für die meisten EU-Importe in die USA – einschließlich Autos, Pharmaprodukte und Halbleiter – und verhinderten damit die zunächst angedrohten 30 %-Zölle für Europa. Ein erhöhter US-Zollsatz von 50 % bleibt für Stahl und Aluminium weiterhin bestehen, wobei es für bestimmte Mengen Ausnahmen geben kann. Zusätzlich hat sich die EU verpflichtet, Flüssiggas (LNG), Öl  und Kernbrennstoffe aus den USA im Wert von 750 Milliarden US-Dollar abzunehmen und Investitionen europäischer Unternehmen in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar in den USA zu tätigen. Im Gegenzug gelten für einzelne strategische Produkte beidseitige Nullzölle (z. B. Luftfahrt, bestimmte Chemikalien, ausgewählte Agrarprodukte). Mit dem aktualisierten Zollabkommen steigt der effektive durchschnittliche Zollsatz in den USA voraussichtlich von derzeit 15 % auf bis zu 17 % an.

Zinsen und Schulden

Vor der Finanzkrise 2008 lagen die Realzinsen in den USA bei etwa 1 bis 1,5 %, gefolgt von einem Tiefstand von 0,5 % nach der Krise. Erfahrungsgemäß sollten sich die Zinsen in den nächsten zehn Jahren wieder auf das Niveau von vor 2008 einpendeln. Dieses Szenario ist jedoch gefährdet. Die hohe Staatsverschuldung, die bis zum Ende des Jahrzehnts in den Industrieländern voraussichtlich 113 % des BIP und in den Schwellenländern über 80 % erreichen wird, birgt ein erhebliches Risiko des Anstiegs der Renditen. Über ein Jahrzehnt lang haben die Zentralbanken die Renditen durch quantitative Lockerung gedrückt. Dieses Regime neigt sich jedoch dem Ende zu.

In den USA wird die Schuldenquote bis 2030 voraussichtlich 128 % erreichen, was Bedenken bezüglich der Tragfähigkeit der Verschuldung und der Haushaltsdisziplin weckt und die Laufzeitprämie für langfristige Staatsanleihen in die Höhe zu treiben droht. Die Märkte betrachten auch die Industrieländer unter dem Gesichtspunkt der Kreditwürdigkeit. Die Glaubwürdigkeit der Fiskalpolitik wird  immer mehr zu einem entscheidenden Faktor.

Es besteht die Sorge, dass der fiskalpolitische Mix der USA ungünstig bleiben könnte. Das Bilanzmanagement der Federal Reserve (Fed) wird von entscheidender Bedeutung sein. Während eine tatsächliche quantitative Lockerung im nächsten Jahr unwahrscheinlich ist, nähern sich die Reserven der Fed der Untergrenze dessen, was als „reichlich“ gewertet wird. So könnten möglicherweise bis Mitte nächsten Jahres Reserveankäufe erforderlich werden, was indirekt die Schuldendynamik fördern würde.  

Globale Diversifizierung

Zunehmend hinterfragen Anleger ein starkes Engagement in den USA. Korrelationsstrukturen verändern sich und es besteht die Möglichkeit einer strukturellen Schwächung des US-Dollars. Traditionell haben hohe US-Zinsen und steigende Laufzeitprämien einen starken Dollar gestützt. Seit dem „Liberation Day“ hat sich der Dollar jedoch von dieser Dynamik abgekoppelt und konnte sich trotz des Verkaufsdrucks bei US-Staatsanleihen nicht festigen. Investoren überprüfen ihre Absicherungsstrategien oder suchen, wenn diese zu teuer sind, nach Diversifizierungsmöglichkeiten. Dadurch steigt das Interesse an europäischen Staatsanleihen, dem asiatisch-pazifischen Raum und den Schwellenländern. Dieses Umfeld erfordert einen aktiveren, globalen Ansatz für festverzinsliche Anlagen, der langfristige strukturelle Trends mit steigenden fiskalischen und währungsbedingten Risiken in Einklang bringt.

Von Didier Borowski, Leiter Macro Policy Research, Amundi Investment Institute, Alessia Berardi, Leiterin Emerging Macro Strategy, Amundi Investment Institute, Frederico Cesarini, Leiter DM FX, Cross Asset Stratege, Amundi Investment Institute, und Silvia Di Silvio, Senior Cross Asset Macro Strategin, Amundi Investment Institute

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Rechtliche Hinweise

Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Informationen in diesem Dokument von dem Amundi Asset Management SAS und sind Stand Juni 2025. Die in diesem Dokument vertretenen Einschätzungen der Entwicklung von Wirtschaft und Märkten sind die gegenwärtige Meinung des Amundi Asset Managements. Diese Einschätzungen können sich jederzeit aufgrund von Marktentwicklungen oder anderer Faktoren ändern. Es ist nicht gewährleistet, dass sich Länder, Märkte oder Sektoren so entwickeln wie erwartet. Diese Einschätzungen sind nicht als Anlageberatung, Empfehlungen für bestimmte Wertpapiere oder Indikation zum Handel im Auftrag bestimmter Produkte des Amundi Asset Managements zu sehen. Es besteht keine Garantie, dass die erörterten Prognosen tatsächlich eintreten oder dass sich diese Entwicklungen fortsetzen.

Fußnote

1SNAP, das Supplemental Nutrition Assistance Program (früher bekannt als Lebensmittelmarken), ist ein staatliches Programm in den USA, das finanzielle Unterstützung für den Kauf von Lebensmitteln für einkommensschwache Haushalte bietet.