Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 21.08.2025
Das letzte Drittel des Jahres 2025 bricht schon fast an. Die Konferenz der großen Zentralbanken in Jackson Hole und die Rede von Fed-Chef Powell (Federal Reserve Bank) liegen hinter uns, und die Marktteilnehmer müssen sich zunehmend fragen, ob das Glas konjunkturell wie auf Seiten der Inflation, halb voll oder halb leer ist. Sie beschäftigen sich genau mit jenen Fragen, die auch Powell umtreiben, der sich zunehmenden Schwächen am Arbeitsmarkt gegenübersieht.
Der Konjunkturrückblick sah zuletzt freundlicher aus. Die globalen Makrodaten, die in unserem „Macro Breadth Growth Index“ erfasst sind (einem Indikator, welcher die Volkswirtschaften rund um den Globus erfasst) erholten sich im Juli nach schwächeren Werten im zweiten Quartal. Regional war die Erholung breit angelegt, angeführt von den Vereinigten Staaten und sich ausweitend auf andere wichtige Industrieländer, darunter die Eurozone, Japan und das Vereinigte Königreich. Ausnahmen von dieser Erholung bildeten u.a. Kanada, Schweden und die Schweiz. Die Ergebnisse in den Schwellenländern fielen gemischt aus: Der Schwäche in China, Russland und der Türkei standen stärkere Werte in Brasilien, Indien und Mexiko gegenüber. Ebenfalls erfreulich: Trotz zahlreicher Gegenwinde wuchs die Weltwirtschaft in der ersten Jahreshälfte um 2,3 % und lag damit nahe an ihrem geschätzten Potenzial.
Jetzt aber kommen die neuen Zölle zum Tragen, wodurch der effektive US-Zollsatz auf etwa 18 % stieg, den höchsten Stand seit den 1930er Jahren. Das stellt einen erheblichen Angebotsschock für die US-Wirtschaft dar und wirkt als Nachfrageschock für den Rest der Welt. Mit Blick auf die Zukunft könnten fiskalische Impulse der jeweiligen Länder dazu beitragen, das Wachstum in Deutschland und der Eurozone wieder anzukurbeln und die Abwärtsrisiken in den USA und China abzuschwächen – allerdings dürften solche Effekte mit Ausnahme von China vor 2026 kaum spürbar werden.
Die globalen Inflationsdaten zeigten in jüngster Zeit Anzeichen einer erneuten Beschleunigung, was durch einen breit angelegten, globalen Anstieg der Inflationsdaten im Juli angezeigt wird. Die Zölle dürften ihr Übriges dazu beitragen, dass die Inflationsseite angespannt bleibt. Vor diesem insgesamt sehr schwierigen Hintergrund erwarten wir, dass die Federal Reserve Bank (Fed) die Zinsen bis zum Jahresende um 50 Basis punkte senken wird, wobei eine aggressivere Lockerung wahrscheinlich ist, falls sich die Schwäche des Arbeitsmarktes weiter verschärft. Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte im Herbst eine Senkung um 25 Basispunkten beim Leitzins anstehen.
Während vor allem der US-Anleihenmarkt von den Aussichten auf eine September-Senkung der Fed belebt wurde, zeigen sich die großen Aktienmärkte guter Stimmung, bei einer unterstützenden technischen Verfassung. Für sie scheint das Glas halb voll zu sein.
Die Woche voraus
Ist das Glas also nun halb voll oder halb leer? Ausgemacht ist dies aber nicht. Gerade für die US-Wirtschaft ist das Rezessionsrisiko erhöht.
Die in der neuen Woche anstehenden Daten werden zumindest etwas mehr an Erkenntnis bringen, wohin die Reise geht.
Der Datenkalender wird dabei dominiert von vorauslaufenden Stimmungsindikatoren. Gerade in einer Zeit erhöhter Unsicherheit sollten Stimmungsbilder, die eine vorauslaufende Indikation für die nächsten ca. sechs Monate geben, von besonderem Interesse sein. Den Auftakt bildet der ifo-Geschäftsklimaindex am Montag. Er hat sich seit dem Jahreswechsel 24/25 mit dem Aus der Ampel-Regierung verbessert, wobei die Erwartungen der
Lageeinschätzung deutlich vorausgelaufen sind. Diese Entwicklung muss sich nicht fortsetzen. Die auf Medienanalyse spezialisierte Agentur Media Tenor zeigt eine deutliche Verschlechterung des medialen Stimmungsbildes über die letzten Monate in Deutschland, wenn es um Wirtschaftsthemen geht. Das Ökonomen-Panel sieht nach 100 Tagen CDU/CSU-SPD Regierung noch deutlichen Handlungsbedarf, wenn es um Reformen geht.
Spannend dürfte es am Dienstag um das US-Verbrauchervertrauen des Conference Boards gehen. Die Lageeinschätzung der US-Verbraucher hat seit Dezember fast durchgängig verschlechtert, während es bei den Erwartungen seit April eine merkliche Aufwärtsbewegung gab, was dann auch die jüngsten Verbesserungen getragen hat. Das dürfte auch mit einem zwischenzeitlichen Rückgang der (hohen) Inflationserwartungen zusammenhängen, die aber schnell enttäuscht werden können.
Am Donnerstag sollte der Datenkalender im Zeichen des Geschäftsklimas der Europäische Kommission, der Verbrauchervertrauens für die Eurozone und den vorläufigen Zahlen für den Inflationsindex der persönlichen Konsumausgaben („personal consumption expenditures“) stehen. Dazu kommen die (Erst-)Anträge auf Arbeitslosenunterstützung und die Anträge auf Arbeitslosengeld. Gerne genommene Indikatoren, um zu erwartende geldpolitische Maßnahmen der Fed abzuschätzen. Den Abschluss bilden dann am Freitag der Einkaufsmanagerindex der Universität von Chicago und das Sentiment (final) der Universität von Michigan.
Ein mehr als halbvolles „Glas“ nicht nur für das letzte Drittel des Jahres wünscht uns allen,
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research