DWS CIO View Quarterly - 02. Juni 2021

Es läuft – Zeit für eine Pause

Die Wirtschaft steckt die Pandemie gut weg, doch rechnen wir weiter mit Niedrigzinsen. Gute Bedingungen für Risikoanlagen. Eigentlich. Wäre da nicht die Bewertung.

"So ermutigend die Erholung auch ist, die Folgen der Pandemie und der durch sie beschleunigten Strukturveränderungen bleiben unabsehbar. Zudem könnten Inflationsspitzen dieses Jahr noch für Instabilität sorgen. Unsere Prognosen sind daher vorsichtig."

Stefan Kreuzkamp, Chief Investment Officer und Leiter der Investment Division

Der Sommer steht vor der Tür, die Covid-19-Fallzahlen gehen runter und die Wiedereröffnungseuphorie macht sich breit. Es fühlt sich beinah an wie vor zwölf Monaten, wären die Unterschiede nicht so offensichtlich. Vor einem Jahr stand man der Pandemie noch geradezu naiv-optimistisch gegenüber und hoffte auf ein natürliches Abebben im Jahresverlauf. Mittlerweile hat das Virus in Bezug auf Hartnäckigkeit und Wandelbarkeit negativ überrascht, während die Impflösungen positiv überraschten. Ebenfalls überrascht hat die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften, trotz hoher Fallzahlen im Herbst und Frühjahr. Der größte Unterschied zeigt sich jedoch an den Kapitalmärkten. Der MSCI AC World Index steht heute 85 Prozent über seinem Tiefststand vom März 2020 und über 20 Prozent über seinem Vor-Krisen-Hoch vom Februar 2020.

Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Veränderungen über die vergangenen zwölf Monate machen uns etwas demütig bei der Ausformulierung unserer Prognosen für die kommenden zwölf Monate. Zwar ist unser Makro-Bild positiv – wir rechnen global mit einem Wachstum von 5,8 Prozent für 2021 und von 4,6 Prozent für 2022. Haupttreiber im laufenden Jahr sind bis jetzt Asien und die USA. In unserem Kernszenario rechnen wir mit einem Abebben der diesjährigen Inflationsspitzen und keinem Ausverkauf bei Staatsanleihen. Doch die Bewertung von Aktien und Unternehmensanleihen lässt wenig Spielraum nach oben und setzt unfallfreies Verhalten der Zentralbanken voraus. Sofern dies möglich ist. Wirtschaft und Arbeitsmärkte in Schwung zu halten, ohne Inflation und Finanzmarktblasen Entfaltungsraum zu geben, dürfte schwerer werden.

Zumal die Zentralbanker vor den gleichen Herausforderungen wie die Anleger stehen: Eine Vielzahl potentieller Strukturbrüche richtig einzuordnen. Zu Covid-bedingten Veränderungen – von Verhaltensweisen abgesehen – gehören insbesondere: Die Rückkehr des starken Staates, was mit dem Ende von Steuerentlastungen und neuen Regulierungswellen (siehe ESG) einhergeht. Die Infragestellung der Globalisierung angesichts aktueller Lieferkettenstörungen und dem Wunsch nach mehr (heimischer) Produktionssicherheit. Dazu der demographische Gegenwind und immer neue Verschuldungsrekorde, zu denen auch die üppigen US-Stimuluspakete beitragen. Viele Unsicherheiten also, auch für die Zentralbanken. Ihr Agieren wird somit schwerer prognostizierbar, während sie bisher quasi im Krisen-Autopilot liefen.

Unsicherheit mögen die Märkte nicht. Gerade die Inflationsfrage dürfte die Anleger noch länger beschäftigen. Vor zwölf Monaten noch ging das De- und nicht das Inflationsgespenst um. Heute haben wir rekordteure Rohstoffe, teilweise angespannte Arbeitsmärkte und steigende Mindestlöhne, Konsum-Nachholbedarf – und all das bei einer gleichzeitig noch gestörten Angebotsseite. Unser Kernszenario, dass viele dieser Faktoren transitorischen Charakter haben und die Inflationserwartungen 2022 nicht weiter steigen, verfängt nicht bei jedem.

Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Kursziele für Aktien nur leicht – im Rahmen höherer Gewinnschätzungen – nach oben angepasst. Wir wollen abwarten, wie sich Margendruck und  Realzinsen entwickeln, bevor wir die Bewertungsmultiplikatoren anpassen. Unsere bevorzugte Region bleibt Asien, auch, oder gerade weil sie so einen schwachen Jahresstart hingelegt hat. Bei Anleihen gehen wir weiter von leicht steigenden Zinsen aus. Daraus ergibt sich für die meisten Staatsanleihen der Industrieländer eine negative Gesamtrendite. Bei Unternehmensanleihen bevorzugen wir das Hochzinssegment, welches überdurchschnittlich von der wirtschaftlichen Erholung profitiert. Regional bevorzugen wir weiterhin Asien.

Da wir auch bei Gold kaum noch Aufwärtspotenzial sehen, fragt man sich, was denn überhaupt noch interessant werden könnte? Wir sehen zwei Themenfelder. Unserer Meinung nach bilden im eher schwerfälligen Immobilienmarkt die Preise die Strukturveränderungen noch nicht hinreichend ab. Logistik und Wohnungen bleiben hier unsere Favoriten, bei Büro- und Einzelhandelsimmobilien sehen wir weiter Gegenwind.

Das spannendste Thema, auch wenn seine Omnipräsenz derzeit die Frage nach einer Blase aufwirft, bleibt Nachhaltigkeit. Vor allem beim "E" von ESG, also der Umwelt, ist weiterhin mit großer Dynamik zu rechnen, etwa was das Thema CO2-Vermeidung angeht. Doch es ist beileibe nicht das einzige Thema, bei dem man sich als Anleger noch positionieren kann.


Rechtliche Hinweise

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DWS Investment GmbH; Stand: 28.05.2021
081630_2 (05/2021)