DWS CIO View vom 03.06.2025
Die US-Regierung dürfte die Märkte weiterhin auf Trab halten, doch die Intensität der Schocks dürfte nachlassen. Zwar hat sich der Wirtschaftsausblick verschlechtert, doch viele Anlageklassen haben noch Potenzial
„Besser als im schlimmsten Fall erwartet“ ist das neue „Besser als erwartet“. Auch wenn sich der Wachstumsausblick etwa für die USA seit Donald Trumps Amtsantritt verschlechtert hat, notieren viele Aktienmärkte wie auch Unternehmensanleiheindizes nahe ihren Hochs. Es hätte schlimmer können, denkt der Markt. Und vielleicht wird es auch noch schlimmer kommen, als der Markt jetzt einpreist. Am Ende zählen jedoch die Firmengewinne. Und die sollten – in unserem Kernszenario - weiter wachsen."
Vincenzo Vedda, Chief Investment Officer
Vorerst können die Märkte mit Trump leben
Einen positiven Anlageausblick zu formulieren, während die globale Sicherheitsordnung und Handelsarchitektur neu definiert werden, mag gewagt klingen. Weshalb ich unseren Marktausblick mit dem Hinweis beginnen möchte, dass er wie immer unserem Kernszenario entspricht. Wir erwarten, dass es nicht an Störfaktoren mangeln wird, die das Kernszenario zum Wackeln oder gar zum Einsturz bringen könnten. In erster Linie bleibt der umtriebige US-Präsident die wohl größte Quelle für Überraschungen, nicht nur auf der negativen Seite. Wir denken zwar, dass im April und Mai Formen des „Trump-Puts“ zu erkennen waren. Also sein Zurückrudern bei Initiativen, die den Kapitalmärkten besonders wenig schmecken, wenn diese nur genügend gefallen sind. Doch ebenso denken wir, dass es immer noch nicht absehbar ist, wie sich die höheren Zölle und die bewusste Isolierung der USA eines Tages in den Unternehmensgewinnen widerspiegeln werden. Wo sie sich bereits jetzt widerspiegeln, ist in unseren Wachstumsprognosen, unter anderem für die USA. Nach 2,8 Prozent im vergangenen Jahr erwarten wir nur noch 1,2 Prozent im laufenden und 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Für Deutschland sehen wir eine entgegengesetzte Dynamik. Aus minus 0,2 Prozent 2024 werden unserer Ansicht nach 1,6 Prozent 2026.
Dass wir vor diesem Hintergrund dennoch einen positiven Aktienausblick auf zwölf Monate haben (wobei wir durchaus mit temporären Rückschlägen rechnen) hat im Wesentlichen fünf Gründe:
1. Aktienkurse richten sich langfristig nach den Gewinnen. Und wir rechnen global mit weiterem Gewinnwachstum 2025 und 2026.
2. Vor allem der S&P 500 profitiert überproportional vom Künstliche Intelligenz (KI)-Boom und anderem digitalen Wachstum.
3. Die Unternehmen haben in den vergangenen zehn Jahren gelernt, sich schneller auf externe Schocks einzustellen.
4. In Europa weckt die Aussicht auf eine expansivere Fiskalpolitik die Fantasie der Anleger.
5. Sollte die Inflation ihr Haupt erneut recken, könnten Aktien, Gold und einige Segmente des Immobilien- und Infrastrukturbereichs zumindest relativ ein besseres Risikomanagement bieten als Kasse oder Anleihen.
Dem Rentenmarkt kommt in den nächsten zwölf Monaten als Risikosignal eine große Bedeutung zu. Sollten die stark gestiegenen japanischen Anleiherenditen sowie Sorgen um das anhaltend hohe US-Defizit zu einem – insbesondere von ausländischen Anlegern getriebenen - Ausverkauf am langen Ende der Renditekurve führen, müssten wir sämtliche Marktprognosen revidieren. Doch damit rechnen wir trotz des angespannten US-Haushalts nicht. Zum einen, da wir glauben, dass die „De-Dollarisierung“ ein sehr gradueller Prozess sein wird; und zum anderen, da wir davon ausgehen, dass die Federal Reserve (Fed) einschreiten wird, sollten 10- bis 30-jährige Treasury-Renditen weit über fünf Prozent steigen.
Im Umkehrschluss heißt das, dass wir Anleihen weiterhin als attraktiv erachten. Ob Staatsanleihen im kurzen und mittleren Laufzeitenbereich, oder Unternehmensanleihen mit Investmentgrade-Status – die hohen laufenden Renditen sprechen für dieses Segment. Der schwächelnde Dollar wird dennoch eine Rolle im kommenden Jahr spielen. Durch die von uns erwartete Aufwertung von Yen, Euro und einigen weiteren asiatischen Währungen würden die von uns erwarteten Renditen globaler Anlagen in Dollar gerechnet am attraktivsten aussehen.
Insgesamt ist unser Anlageausblick also wieder recht optimistisch, auch wenn die Renditeerwartungen leicht unterdurchschnittlich ausfallen. Gut möglich, dass die Aktienstände und die Anleiherenditen in zwölf Monaten nicht weit ihrer heutigen Stände notieren, nachdem sie zwischendurch vielleicht noch einmal deutlich korrigiert oder neue Hochs erklommen haben. Um der durch die zunehmende Multipolarisierung der Welt gestiegene Unsicherheit Rechnung zu tragen, setzen wir einmal mehr auf ein breit gestreutes Anlageportfolio.