LFDE Marktkommentar vom 11.09.2025
Von Olivier de Berranger, CEO von LFDE
Paris / Frankfurt am Main, 04.09.2025 – Gemäß Artikel 1137 des französischen Zivilgesetzbuchs liegt eine arglistige Täuschung vor, wenn ein Vertragspartner die Zustimmung des anderen durch manipulative Handlungen oder Lügen erlangt.
Trump als „Verhandlungskönig“ – Europa als Zaungast
Donald Trump sieht sich selbst als König der Verhandlungskunst1, Europa hingegen scheint ein Meister der Unterwerfung zu sein. Die „Handelsgespräche“ mit den USA bestanden im Prinzip darin, dass Ursula von der Leyen mitten im Sommer auf einen der privaten Golfplätze des US-Präsidenten in Schottland zitiert wurde, um über die Erhebung von Zöllen in Höhe von 15 Prozent informiert zu werden. Zwar soll es Ausnahmen geben, beispielsweise in der Luftfahrt oder bei bestimmten strategischen Rohstoffen, doch diese stehen noch nicht einmal fest.
Dies sorgte bei einigen für Erleichterung, da diese Zölle niedriger ausfielen als die 20 %, die am Liberation Day im April angekündigt worden waren. Und insbesondere fielen sie niedriger aus als die 30 %, die für den Fall angedroht worden waren, dass keine Einigung erzielt würde. Dennoch ist diese Zollerhöhung im Vergleich zu den bisher geltenden 1-2 % extrem hoch und stellt den höchsten Zollsatz seit fast einem Jahrhundert dar.
Teure Zugeständnisse: LNG, Chips und Waffen
Als ob das noch nicht genug wäre, hat sich die Europäische Union außerdem verpflichtet, in den nächsten drei Jahren Brennstoffe (LNG2 und Öl) im Wert von 750 Milliarden US-Dollar zu importieren. Darüber hinaus hat sie zugesagt, mehr Computerchips und Rüstungsgüter zu kaufen. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, verpflichtet sich die EU zu Investitionen in Höhe von 600 Mrd. US-Dollar in den USA, obwohl sie auf heimischem Boden nicht schon genug Investitionsbedarf hätte. Anstatt also ihre Überschüsse zur Finanzierung eigener Unternehmen zu nutzen, investiert Europa weiterhin auf der anderen Seite des Atlantiks. Im „Gegenzug“ sollen die europäischen Importzölle auf US-Produkte auf 0 % gesenkt werden.
Das eigentliche Problem liegt in Europa selbst
In einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ versuchte Ursula von der Leyen, sich mit der Aussage, das Abkommen sei „ein starker, wenn auch nicht perfekter Deal“, zu rechtfertigen. Die „Stärke“ dieses Deals ist jedoch fraglich, wenn man sich die Unberechenbarkeit und Launenhaftigkeit vor Augen führt, die der 47. Präsident der USA bei seinen Entscheidungen an den Tag legt. Es stimmt jedoch auch, dass Europa sehr gut darin ist, sich selbst zu blockieren. Laut Mario Draghi behindern die durch Regeln und Normen bedingten internen Barrieren in Europa den Handel stärker als die US-Zölle3. Der IWF schätzt, dass die wirtschaftliche Belastung, die durch interne, nicht zollbedingte Handelsbarrieren in der EU dem Effekt von Zöllen in Höhe von 44 % für das verarbeitende Gewerbe und sogar 110 % für den Dienstleistungssektor entspricht4. Vor diesem Hintergrund beträgt der Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten weniger als die Hälfte des Handels zwischen den US-Bundesstaaten. Mario Draghi merkt außerdem an, dass die Umsetzung der DSGVO5 in Europa die Gewinne von kleinen, mittleren und Midcap-Unternehmen um 12 % reduziert habe!
Man mag sich damit „trösten“, dass die Schweiz mit Zöllen von 39 % (mit Ausnahme einiger weniger Sektoren) noch stärker betroffen ist. Doch es wird höchste Zeit, dass Europa reagiert und seine Rolle als weltweit führender Binnenmarkt mit wiedererlangter Stärke behauptet. Wenn, in Anlehnung an Mark Twain, die Gerüchte über den Tod der EU stark übertrieben sind, dann ist jetzt die Zeit zum Handeln gekommen. Andernfalls würde ein mögliches zukünftiges Abkommen zum Wiederaufbau der Ukraine ebenfalls in einem Fiasko enden.