Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 10.10.2025
In den Vereinigten Staaten ist gerade „Government Shutdown“. Das passiert dann, wenn sich die US-Gesetzgeber nicht auf ein Gesetz zur Bewilligung oder Verlängerung von Finanzmitteln zur Bewältigung öffentlicher Aufgaben einigen konnten. Dann fährt der Staat herunter und vollzieht nur noch wirklich als notwendig erachtete Aufgaben. Die Börsen bleiben selbstverständlich geöffnet. Über die Zeit haben sie es sich angewöhnt, das (haushalts-)politische Kräftemessen gelassen hinzunehmen. Ein gewisser volkswirtschaftlicher Schaden entsteht zwar (Schätzungen gehen von bis zu 0,2% des Bruttoinlandsproduktes pro Woche aus), allerdings lassen sich nach einem Shutdown regelmäßig Nachholeffekte beobachten, die den Schaden begrenzen. Der bisher längste Shutdown der Geschichte fand übrigens unter dem jetzigen Präsidenten Donald Trump statt: zum Jahreswechsel 2018/19 war der öffentliche Sektor der USA 35 Tage lang stillgelegt.
Aus Anlegersicht am ehesten wahrnehmbar tritt der Government Shutdown im volkswirtschaftlichen Kalender in Erscheinung. So werden viele US-Konjunkturdaten, die von öffentlichen Statistikbehörden berichtet werden, erst nach Beendigung des Shutdowns veröffentlicht werden. Solange müssen Anleger ohne die vielbeachteten Daten zu Arbeitsmarkt, Inflation und Einzelhandelsumsätzen auskommen und sich hauptsächlich an den von Privatunternehmen erhobenen Daten orientieren (wie z.B. den Einkaufsmanagerindizes). Sollte der Shutdown bis zum Ende des Monats dauern, hätte auch die US-Notenbank Federal Reserve nur unvollständige Informationen als Entscheidungsgrundlage für die Zinsentscheidung am 29. Oktober. In einem solchen Szenario stiege die Unsicherheit, ob eine derzeit vom Geldmarkt nahezu vollständig eingepreiste Zinserhöhung wirklich vollzogen würde.
Eine geschlossene Gesellschaft ganz anderer Art lässt sich vor der US-Gewinnberichtssaison beobachten. Die großen Technologieunternehmen spielen, wenn es um Größen wie Gewinndynamik und Investitionsvorhaben geht, weiter in ihrer eigenen Liga. Laut einer Analyse von Minack Advisors ist nahezu die gesamte Überlegenheit der Gewinnentwicklung der USA gegenüber dem Rest der Welt im letzten Jahrzehnt auf die hochkapitalisierten Technologie- und Plattformkonzerne zurückzuführen. Ob sich dies fortsetzen kann, bleibt eine hochrelevante Frage. Vor der Gewinnsaison ist die Stimmung bei den US-Unternehmen gut. Der Anteil der Unternehmen, die eine positive „Guidance“ ausgegeben haben, ist ungewöhnlich hoch. Und auch die Analysten haben diesmal darauf verzichtet, die Gewinnschätzungen vor der Berichtssaison nach unten zu revidieren. Damit liegt allerdings auch die Messlatte höher als vor den letzten Berichtsperioden.
Die Woche voraus
Im Laufe der kommenden Woche wird die Gewinnberichtssaison für das dritte Quartal 2025 in den USA Fahrt aufnehmen. Der volkswirtschaftliche Datenkalender hängt zumindest für die USA davon ab, wie lange der Shutdown noch andauern wird. Normalerweise würden die Daten zur Konsumentenpreisinflation am Mittwoch und die Einzelhandelsumsätze am Donnerstag die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sollte der Shutdown enden, würden einige Tage später ein ganzer Reigen von Daten aus den Vorwochen auf die Anleger niederprasseln – hier wäre insbesondere der Arbeitsmarktbericht für den September (ursprünglich aus der ersten Oktoberwoche) von großer Relevanz.
Für die Eurozone ist der Datenkalender recht spärlich gefüllt. Zu den finalen Inflationsdaten für den September aus vielen wichtigen Mitgliedsländern gesellt sich am Dienstag der ZEW-Index. In Japan stehen Orderdaten am Donnerstag im Mittelpunkt. Aus China dürfte bereits am Montag die Handelsbilanz für den September berichtet werden, ein interessanter Datenpunkt zur Beantwortung der Frage, ob die amerikanischen Zölle die Warenbewegungen aus und nach China weiter stark beeinflussen.
Vor der Berichtssaison bleibt der Risikoappetit bei den Anlegern erhöht, technisch erscheinen viele Aktienindizes in guter Verfassung. Schaut man auf die Saisonalität erscheinen die schwierigsten Wochen im Rückspiegel. Dennoch bleiben genug Unsicherheitsfaktoren. Neben der wieder aufgeflammten französischen Regierungskrise könnte die Anleger auch der „Blindflug“ hinsichtlich der US-Konjunkturdaten verunsichern – je mehr, desto länger er andauert.
Kommen Sie gut durch die kommende Woche!
Stefan Rondorf