Loys Capital Kolumne vom 26.03.2019

Finanzmarkt Unverständnis

Nicht ohne Larmoyanz wird in der öffentlichen  Diskussion vermerkt,  dass Deutschland  und Europa im  Begriff  stehen, bei neuen  internetbasierten Tech­nologien  ins Hintertreffen zu geraten.  Außer kollektivem Gejammer  nebst  den erwartbaren  Schuldzuweisungen fällt  der  politischen  Elite  Deutschlands  aber wenig  Konkretes dazu ein. Auffällig ist vor allem die unzureichende  Ursa­chenanalyse  für  das  gefühlte   Zurückfallen.  Es fällt  scheinbar  niemandem  in Berlin auf, dass es die überlegene Finanzmarktkultur Amerikas  ist, die zu den Marktführern in den Internet-Gewerken geführt  hat.


Während man es hierzulande in politischen Zirkeln vorzieht, eine distanzierte und zum Teil verach­tende  Attitüde  gegenüber  der Börse und Eigenkapitalanlagen (Aktien  und  Aktienfonds)   an den Tag zu legen, weiß man auf der anderen  Seite  des  Atlantiks   um die segensreiche  lnnovationsdy­namik,  die durch  die Finanzmärk­te animiert und in Schwung ge­halten wird. Und das Geld folgt bekanntlich der Attraktivität eines Marktes.

Mehr   als  70%   des  weltweiten Handelsvolumens in Aktien findet mittlerweile in den USA statt, wie die   Handelschefin   von   Fidelity Investments  kürzlich mitteilte. Hierzulande   bleibt   es dagegen weithin   unbeachtet,  dass  Unter­ nehmen  wie  Amazon, Uber  oder Tesla ihr Wachstum   und Frühphasenüberleben   ausschließlich   der breiten    und    tiefen    amerikanischen  Finanzmarktkultur   zu  verdanken haben. Bei den selbstfah­renden Autos oder Internetbe­zahlsystemen   wird   es  
nicht  an­ders sein.Ohne risikobereite Frühphaseneigenkapitalgeber (Venture Capital) gäbe es die Un­ternehmen  nicht.

Und ohne die nachfolgende Kette weiterbesitzender Eigenkapitalgeber (Private Equity Fonds, Aktienfonds, Hedgefonds, Beteiligungsgesellschaften, Pensionsfonds, Vulture Fonds etc.) hätten Frühphasenfinanzierer keine Chance,  ihre  Früchte  zu  ernten und nach neuen Unternehmeri­schen Okkasionen Ausschau zu halten.

ln    Deutschland    sorgen    allein schon    die    leistungsfeindlichen Steuergesetze    dafür,  dass   die Venture   Capital   Szene  ein   be­scheidenes    Dasein   fristet.    Die Regierenden  -  ihrerseits   i.d.R. Berufspolitiker   -  ziehen  es  vor, durch  staatliche  Großbanken wie die   KfW,   Sonderförderungspro­gramme  ins Leben zu rufen. Man darf  sich  darüber  nicht  wundern, denn  die seit  Jahrzehnten  geför­derte Fremdkapitalkultur  mit ihren staatlichen Privilegien  gegenüber Eigenkapitalanlagen   ist   in   den Köpfen   mittlerweile  fest   veran­kert.  Und  ein  Finanz- und  oder Wirtschaftsminister,  der  wie   in den  USA  oftmals   von  der  Wall Street kommt, ist in Deutschland völlig undenkbar. Der Parteienpro­porz verhindert den Einstieg von kompetenten auereinsteigern zur Gänze; Gender- und andere  Quoten sorgen für den Rest.


Ein grundsätzliches  Unbehagen gegenüber  Börse  und  Finanz­markt  findet  seine  Spiegelung  in der verkümmerten deutschen  Aktienkultur.   Die  mutigen   Schritte des  Reformkanzlers  der  Deut­schen  - der  parteipolitisch unge­liebte Gerhard Schröder -  dessen Agenda 2010, die ja zugleich auch eine ernstzunehmende Steuerre­form war, ist inzwischen Historie. Unter  Frau  Merkel hat sich  her­nach ein Gouvernantenstaatsmo­dell ausgebreitet,  das sich in Weltverbesserungsideologien verrannt  hat  und  überhaupt  kei­nen  Zugang zu marktwirtschaftli­chem  Denken  besitzt.  Die  Hypo­these  der   Kanzlerin,  durch   den überhasteten   Atomausstieg   den Grünen die Existenzgrundlage  zu entziehen, hat sich als existenziel­ ler   Fehler   erwiesen.    Denn   die Grünen, die in ihrem Kern Neigun­gen  zu einer  totalitären Verbots­partei aufweisen (Fleisch, Kohle, Diesel, Autos etc.),  haben seither mit  dem  Klimawandel  ein  neues Gewinnerthema  finden  können, mit  dem  sie die Altparteien  CDU und SPD vor sich hertreiben. Die­se  haben  mit einem   strammen Linksrutsch   auf   die   Bedrohung durch   die   Grünen   reagiert   und dabei  ist  mittlerweile  sämtlicher ökonomischer    Sachverstand   auf der  Strecke  geblieben.   Es  geht aber    Deutschland     keineswegs schlecht  genug,  um  wie seinerzeit nach den chaotischen Anfangsjahren   des   Gerhard Schröder eine Notwendigkeit für Reformen  zu verspüren.  Dafür ist nicht zuletzt auch die Europäische Zentralbank mit verantwortlich, denn  deren  Nullzinspolitik  hat  es der Politik bislang ermöglicht,  kei­ne zusätzlichen Staatsschulden aufnehmen  zu  müssen.  Hoffent­lich hat dieser paradiesische Zustand noch lange Bestand.

Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns


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