Macroscope: Welches Spiel treibt die Fed?

LFDE Marktkommentar vom 27.06.2023

Am Ende ihrer letzten Sitzung hielt die US-Notenbank (Fed) keine Überraschungen bereit. Wie von den Märkten erwartet, ließ sie die Leitzinsen unverändert, nachdem sie diese zuvor zehnmal in Folge angehoben hatte – ein Anstieg von insgesamt 5 % in weniger als eineinhalb Jahren. Eine Frage bleibt jedoch noch offen: Handelt es sich um eine simple Unterbrechung oder um den Anfang vom Ende des Zinsanhebungszyklus? Im Vorfeld der Sitzung waren die Anleger unentschlossen. Würde die Notenbank eher das Ende der Zinsanhebungen oder eine letzte Anhebung in Aussicht stellen? Mit dem Hinweis, dass sich nach ihrer Einschätzung die Leitzinsen Ende 2023 zwischen 5,5 % und 5,75 % ansiedeln würden, haben die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) alle Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. Denn das bedeutet, dass die Fed bis zum Jahresende noch zwei zusätzliche Zinsanhebungen plant. Eine Prognose, die in mehrerer Hinsicht nachdenklich stimmt.

Ein derart aggressiver Fahrplan lässt darauf schließen, dass die Inflationsrisiken aus Sicht der Fed immer noch äußerst hoch sind. Doch wenn dem so ist, warum wurde mit der Juni-Sitzung dann eine Pause bekanntgegeben? Die Erläuterungen des Vorsitzenden Jerome Powell in der Fragerunde, wie auch bei der Anhörung im US-Kongress, waren wenig überzeugend und haben den künftigen Kurs der Fed letztendlich nur noch undurchsichtiger gemacht. So gelang es der Fed auch nicht, die Märkte zu überzeugen: Sie glauben nicht an das Fed-Szenario zweier Zinsanhebungen und preisen nicht einmal eine vollständige Erhöhung im Sommer ein.

Dazu muss man sagen, dass es neben der gewagten Kommunikation der Institution einige fundamentale Gründe für die Anleger gibt, an diesem Szenario zu zweifeln. Nach der bösen Überraschung bei der Verbraucherpreisinflation (Personal Consumption Expentitures, PCE) vom April rief die Veröffentlichung des Verbraucherpreisindex CPI (Consumer Price Index) im Mai mehrere Tatsachen wieder in Erinnerung: Die Disinflation im Bereich Wohnraum hat begonnen und wird noch viele Monate andauern; das erneute Anziehen der Preise für Fahrzeuge ist nur vorübergehend und wird sich bald legen und die Preisinflation im Dienstleistungssektor (ohne Wohnimmobilien) lässt allmählich nach. All das sind gute Nachrichten für die Entwicklung der kommenden Monate, zumal einige Prognosen auf eine offensichtlichere Abschwächung der Inflation im Laufe des Sommers hindeuten. Der Arbeitsmarkt, dessen Robustheit die Fed immer wieder betont, lässt wiederum Anzeichen einer Trendwende erkennen. Die Arbeitslosenquote stieg im Mai von 3,4 % auf 3,7 % und die Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung haben in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen.

Die Märkte erinnern sich wahrscheinlich nur zu gut daran, wie wenig zutreffend die Zinsprognosen der Fed im Laufe der vergangenen Quartale waren. Vor einem Jahr ging die US-Notenbank zum Jahresende von Zinsen in einer Bandbreite von 3,25 % bis 3,5 % für Ende 2022 aus. Tatsächlich beendeten diese das Jahr jedoch bei 4,25 % bis 4,5 %. Im vergangenen September schätzte sie, dass die Zinsen Ende 2023 zwischen 4,5 % und 4,75 % liegen würden. Zurzeit liegen sie zwischen 5 % und 5,25 %, und die Fed fasst noch eine weitere Anhebung ins Auge. Mit anderen Worten: Nachdem sie lange Zeit die geldpolitische Straffung aufgeschoben und mit dem „vorübergehenden“ Charakter der Inflation argumentiert hatte, hat die Fed anschließend systematisch das erforderliche Niveau der Zinsanhebungen unterschätzt. Nun, da die Inflation offenbar nachlässt, scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, dass die Zentralbank den umgekehrten Fehler macht und die Hartnäckigkeit der Teuerung sowie die Anzahl der noch vorzunehmenden Zinsanhebungen überschätzt. In dieser Hinsicht werden die Zahlen zur Beschäftigungslage und zur Inflation in den kommenden Wochen entscheidend sein – und sollten sie eine Verlangsamung bestätigen, wird es die Fed in Sachen Kommunikation alles andere als leicht haben.

Redaktionsschluss: 22.06.2023 – Enguerrand Artaz, Fund Manager
 

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