Loys Capital Kolumne vom 10.06.2025
Bundeskanzler Friedrich Merz sorgte nach seiner Rückkehr aus Washington unter Finanzmarktkennern für Aufmerksamkeit, als er von Initiativen zur Belebung der Aktienkultur in Europa sprach. Er kündigte an, gemeinsam mit Frankreich Pläne vorzulegen, wie Unternehmen sich künftig besser mit Eigenkapital ausstatten können.
Dem frisch ins Amt gelangten Bundeskanzler wird es dabei zupasskommen, während seiner Tätigkeit für BlackRock vertiefte Einblicke in den Maschinenraum des Finanzmarktes bekommen zu haben. Allein damit hebt er sich meilenweit von den Wirtschafts- und Finanzpolitikern ab, mit denen man es in Deutschland seit Jahrzehnten zu tun hat. Hilfreich wäre es, wenn man sich in Berlin mit der Frage beschäftigt, welche Rolle Finanzmärkte und vor allem Eigenkapitalmärkte für Innovation, Wachstum und Wohlstand spielen. Dazu ist ein Blick in die Vereinigten Staaten unerlässlich. Eine kritische Bestandsaufnahme wird dabei zunächst feststellen, dass die Wirtschaftsleistung pro Einwohner in den USA signifikant höher liegt als in Deutschland. Noch größer ist der Abstand zugunsten Amerikas beim Thema Vermögen. An dieser Stelle gilt es zu fragen, welche Rolle florierende Eigenkapitalmärkte für den Wohlstand einer Volkswirtschaft spielen.
Vor allem die Finanzierung von neuen Techniken, Verfahren und Produkten bedarf eines Umfeldes, in welchem dem Eingehen hoher Risiken ebenso große finanzielle Chancen gegenüberstehen. Dies ist auch als Anreiz für talentierte Jungunternehmer und Manager wichtig, um die geeignetsten Personen an die aussichtsreichsten Positionen zu bugsieren.
Zudem kommt den Aktienmärkten eine zentrale Rolle zu, wenn es um das Thema Altersabsicherung / Rente geht. Mittlerweile lässt es sich nicht mehr leugnen, dass der deutsche ´Generationenvertrag´ aufgrund der seit Jahrzehnten bekannten demographischen Entwicklung gescheitert ist und der Steuerzahler einen beachtlichen und stetig steigenden Teil der Renten bezahlen muss.
Wer eine Verbesserung der Eigenkapitalkultur in Europa wünscht, der muss auch das Thema Regulierung angehen. Im Nachhinein betrachtet waren die MiFID-Reformen der EU ein Fehler, der – ebenso die ESG-Besessenheit – die Allokationsfunktionen des Kapitalmarktes eingeschränkt hat. Ähnlich dem ´Green Deal´ bedarf es auch hier einer weitgehenden Rückabwicklung. Stattdessen wird eine Parallele zum ´Wirtschaft first´-Programm von Frau von der Leyen benötigt. Es könnte den Namen tragen: ´Eigenkapital first´
Ein erstes – auch symbolisch – wichtiges Signal könnte sein, den Solidaritätszuschlag auf Dividendenzahlungen abzuschaffen. Um den Wohlstandsabstand zu Amerika, aber auch zu anderen europäischen Ländern, aufzuholen, bedarf es jetzt energischer Reformen.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns