Raiffeisen Capital Management "Märkte unter uns" August 2025
In zahlreichen Marktkommentaren war in den letzten Wochen wieder häufiger von “complacency” zu lesen, was ein hohes Maß an Selbstzufriedenheit unter den zunehmend optimistischen Investoren beschreibt und im Zusammenhang mit dem Aktienmarkt auf Rekordniveau auch eine gewisse Abkoppelung von den wirtschaftspolitischen Realitäten. Somit ist zu hinterfragen, ob das Kursniveau an den (US-)Börsen gerechtfertigt ist, wenn aktuelle Belastungsfaktoren offenbar weitgehend ausgeblendet werden und der Anlegerfokus bereits auf den kommenden Quartalen bzw. auf dem nächsten Jahr liegt. Es ist tatsächlich so, dass die Unternehmen auf herausfordernde Rahmenbedingungen in der Vergangenheit immer wieder rascher und effektiver reagieren konnten, als man ursprünglich hätte annehmen können. Dadurch erscheint ein gesundes Maß an Optimismus und ein Hinwegsehen über unmittelbar dämpfende Effekte gerechtfertigt. Obwohl es noch eine Reihe an Unsicherheiten rund um die erratische Zollpolitik gibt, welche insbesondere für die USA ein Abwärtsrisiko beim Wachstum und ein Aufwärtsrisiko für die Inflation darstellt, so hat der Einfluss auf den Kapitalmarkt in den letzten Wochen auch infolge resilienter Makrodaten stetig abgenommen. Der Druck auf die FED wieder Zinsen zu senken, ist hingegen am Steigen. Einerseits hat sich trotz der schon eingeführten Importzölle bis dato kein markanter Inflationsanstieg eingestellt und andererseits sind die jüngsten Arbeitsmarktdaten unter Erwartung ausgefallen. Was die im Vorfeld deutlich nach unten revidierten Gewinnerwartungen für das zweite Quartal betrifft, konnten diese im Laufe der Berichtssaison klar übertroffen werden und auch der Ausblick auf das künftige Gewinnwachstum stellt sich aus heutiger Sicht durchaus konstruktiv dar. Das ambitionierte Bewertungsniveau und die zuletzt technisch überkaufte Konstellation am Aktienmarkt verdeutlichen, dass in kurzer Zeit viel Optimismus in den Kursen eingepreist wurde, was eine Phase mit erhöhter Volatilität wahrscheinlicher macht. Solange jedoch die regelmäßigen „reality checks“ im Rahmen der Quartalsberichte insbesondere bei den führenden US-Wachstumsunternehmen weiterhin so positiv ausfallen und damit auch aufgezeigt wird, dass die Auswirkungen der Zölle für die Wirtschaft verträglich sind, sollte der Markt entsprechend gut unterstützt bleiben. Wir sind in der Taktischen Asset Allocation bei Aktien neutral positioniert.
Marktumfeld – Anleihemärkte
Unternehmensanleihen bleiben gefragt
Der Juli verlief an den Anleihenmärkten recht unspektakulär (leichter Renditeanstieg DE, seitwärts in den USA).
Die deutliche USD-Aufwertung machte USD-Anleihenaus Sicht eines Euro-Investors zur mit Abstand besten Anleiheklasse im Juli. Seit Jahresbeginn notiert der USD aber immer noch deutlich schwächer und ist die Euro-Performance dieser Anleihen entsprechend tief negativ. Bei Euro-Staatsanleihen verhinderte der (leichte) Renditeanstieg eine positive Monatsperformance –bei Unternehmensanleihenreichte es dank Renditeaufschlag trotzdem für einen guten Monatsertrag.
Positiv stechen einmal mehr Anleihen aus den Emerging Markets hervor, die in den ersten sieben Monaten schon auf eine Performance von fast 6 % kommen! Dies trifft allerdings nur auf Hartwährungsanleihenzu. Lokalwährungsanleihen aus den Emerging Markets litten dagegen ebenfalls unter der Abwertung des US-Dollars seit Jahresbeginn, da sich diese Währungen mehrheitlich am USD orientieren.
Keine Dynamik gab es zuletzt von den Notenbanken: Die Europäische Zentralbank (EZB) ist seit ihrer letzten Zinssenkung im Juni (auf 2,0 %) in Wartestellung und auch die US-Notenbank beließ ihren Leitzins im Juli unverändert.
Marktumfeld – Aktienmärkte
Positiver Juli an den Börsen
Auch im Julidauerte die starke Aktienperformance noch an –fast alle (größeren) Aktienmärkte verbuchten im abgelaufenen Monat schöne Kursgewinne. Am positivsten stachen dabei die asiatischen Schwellenmärkte (und insbesondere China) hervor.
Sicher geholfen hat dabei, dass sich die US-Zollpolitikerstens weiter konkretisiert hat, was Unsicherheit reduziert und zweitens, dass das Zoll-Ausmaß für die meisten Länder verkraftbar erscheint, v.a. für die großen: EU & Japan 15 %, also deutlich weniger als im April noch befürchtet. Was auch hilft: Die Wirtschaftsdaten halten sich weiterhin gut (keine Anzeichen für US-Rezession), und die US-Inflation ist bisher (noch) kaum gestiegen (allerdings treten viele der Zölle auch erst noch in Kraft). Mindestens so wichtig: Auch das Gewinnwachstum der Unternehmen und deren Ausblicke entwickeln sich derzeit recht positiv. Und Gegenwind durch Leitzinsanhebungen ist selbst in den USA nicht zu befürchten. Weiterhin bestehende Risiken (wie Geopolitik, noch ausstehende Zoll-Einigung mit China, negative verzögerte Effekte der bisherigen Zollanhebungen u.s.w.) beachtet der Markt derzeit nicht.
Marktumfeld – Rohstoffe und Währungen
Goldpreis tritt auf der Stelle
Auch im Juli gab es wenig Bewegung beim Goldpreis –die spektakuläre Kurs-Rallye hat seit April einer (relativ engen) Seitwärtsbewegung Platz gemacht. Aber immerhin können die Kurshochs damit gehalten werden, was Edelmetalle seit Jahresbeginn zur mit Abstand besten Rohstoffklasse macht.
Ganz im Gegensatz zum Ölpreis, der (trotz kleiner Preiserholung im Juli) deutlich tiefer steht als zu Jahresbeginn. Das mag angesichts der laufenden Eskalation im Nahen Osten überraschen; aber in Summe ist trotz der dortigen Konflikte der Ölexport aus der Region bisher nicht negativ betroffen. Und die OPEC erhöhte gleichzeitig laufend die Fördermengen, was den Preis zusätzlich belastete.
Die rasante USD-Abwertung erreichte Anfang Juli mit einem Vierjahreshoch bei EUR/USD von 1,18 einen (vorläufigen?) Höhepunkt. Seither konnte sich der USDim Zuge stärkerer US-Wirtschaftsdaten wieder etwas auf rund 1,15 Ende Juli erholen. Einerseits war der USD Anfang Juli bereits sehr überverkauft, was oft für Gegenbewegungen ausreicht; andererseits ließen recht starke US-Wirtschaftsdaten und die Unsicherheit, wie weit die US-Zölle die US-Inflation nach oben bringen werden, die US-Notenbank mit Zinssenkungen weiter zuwarten. Im Juli war der USD damit die best-performende Währung gegenüber dem Euro. Seit Jahresbeginn dagegen trotzdem immer noch die schwächste. Auch gegenüber den anderen großen Währungen wie GBP, JPY und chinesischem Yuan handelt der Euro nach wie vor weit fester als zu Jahresbeginn.
Ausblick – Globale Wirtschaft
Konjunktur-Vorlaufindikatoren verbessern sich
Im ersten Halbjahr wiesen die großen Volkwirtschaften rückblickend deutlich positives Wirtschaftswachstum auf. Und wichtiger: Nach einem vorübergehenden Einknicken der wichtigsten Konjunkturvorlaufindikatoren (PMI, in der Grafik) durch den Zollschock im Frühjahr sind diese Vorlaufindikatoreninzwischen wieder am Weg nach oben und signalisieren auch für das zweite Halbjahr eine positive Konjunkturentwicklung. Das konjunkturelle Risikoder US-Zöllebleibt zwar (immerhin wird der Großteil der Zollanhebungen erst noch wirksam) und ein gewisser Bremseffekt dürfte sich kaum vermeiden lassen. Für die großen Volkswirtschaften wie EU und Japan sollten die Zölle von 15 % aber verkraftbar sein –wichtig wird die bisher noch ausstehende Einigung mit China. Für Aufregung sorgten zuletzt schwächere US-Arbeitsmarktdaten–aber auch diese liegen nach wie vor im Rahmen einer (unterdurchschnittlich) wachsenden US-Wirtschaft. Unterstützend wirken derzeit auch die relativ tiefen Energiepreise. Und für 2026sollte die Konjunktur aus aktueller Sicht aufgrund der US-Steuersenkungen und höherer Infrastruktur(und Rüstungs-)ausgaben in Europa zulegen. Ein konjunktureller Schwächepolbleiben in Europa nach wie vor Deutschland und Österreich, mit nur (annualisiert) 0,4 % Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr, und mit Vorlaufindikatoren im Stagnationsbereich. Hier ist die Hoffnung (und Erwartung), dass die globale Rezession im Industriebereich, die diese Länder (auch aus strukturellen Gründen) besonders schwer getroffen hat, inzwischen ausläuft.
Ausblick – Inflation und Notenbanken
EUR-Inflation vorbildlich (Österreich bleibt Ausreißer)
Trotz regionaler Ausreißer (so ist die Inflation in Österreich im Juli wieder auf 3,5 % p.a. gestiegen) entwickelt sich die Inflation im Euroraum sehr erfreulich: Sie pendelt inzwischen nur mehr um 2,0 %, und auch die Kerninflation (die Energiepreise ausnimmt) lag zuletzt nur mehr bei 2,3 %. Der Handelskrieg bedeutet für Europa zusätzliche Inflationsdämpfung: Konjunkturverlangsamung aufgrund schwächerer Exporte, und vermehrt billige Importe aus Asien (weil weniger Zugang zum US-Markt). Und auch der festere Euro dämpft Konjunktur und Importpreise. Sollte sich die europäische Konjunktur im zweiten Halbjahr also schwächer entwickeln, hätte die EZB genug Spielraum für eine weitere Zinssenkung; ebenso, falls der Euro zu stark weiter aufwertet. Derzeit ist die EZB aber bei 2,0 % Einlagezins (ein weitgehend neutrales Niveau) in Wartehaltung und auch der Zinsmarkt preist auf die nächsten 12 Monate unveränderte Leitzinsen auf dem
aktuellen Niveau.
Anders die Lage in den USA, wo die Inflation nur knapp unter 3 % p.a. liegt und die (großteils erst noch wirksam werdenden) Zollanhebungen die Inflation in den nächsten Monaten vorübergehend noch weiter nach oben bringen werden. Die US-Notenbank wartet deshalb trotz des recht hohen Leitzinsniveaus von 4,25 % mit Zinssenkungen noch zu. Schwächere Wirtschaftsdaten (das BIP-Wachstum lag im ersten Halbjahr immerhin nur noch unter dem langfristigen Schnitt, jüngste Arbeitsmarktdaten waren deutlich schwächer als erwartet) würden aber auch in den USA zu Zinssenkungen führen:
Der Zinsmarkt preist für die USA heuer noch erste Zinssenkungen und in Summe bis Ende 2026 1,25 Prozent tiefere Leitzinsen (die dann mit 3,0 % auf einem neutralen Niveau lägen).
Ausblick – Anleihemärkte
Bleiben defensiv positioniert
Im Rahmen der guten Kapitalmarktentwicklung der letzten Monate (insbesondere für riskantere Anlageklassen) haben sich auch die Renditeaufschläge für „riskantere“ Anleihen deutlich reduziert und erscheinen auf dem aktuellen Niveau nicht mehr günstig. Schwächere Wirtschaftsdaten / Angst vor einem Konjunktureinbruch würden sie zwischenzeitig deutlich ausweiten.
Vor diesem Hintergrund bleiben wir im Anleiheportfolio eher defensiv ausgerichtet:
Wir bleiben übergewichtet in Staatsanleihen Europa (insbesondere Frankreich und Deutschland), aber auch Staatsanleihen USA, und sind in beiden Währungsräumen für eine Versteilerungder Zinskurve positioniert.
Im Gegenzug dazu sind wir untergewichtet in US High-Yield Anleihen und in Emerging Markets Staatsanleihen in Hartwährung.
Wir rechnen mittelfristig mit steigenden Risikoprämienund gewichten diese beiden riskanteren Anleiheklasse daher geringer gegenüber Staatsanleihen.
Am Markt für Euro-Unternehmensanleihen bleiben wir unverändert neutral positioniert.
Ausblick – Aktienmärkte global
US-Berichtssaison weit besser als vom Markt erwartet
Nachdem der US-Zoll“krieg“ für die meisten (v.a. großen) Volkswirtschaften mit verkraftbaren Zollsätzen zu enden scheint, hat sich die Rezessionsgefahr drastisch reduziert. Mit der Aktienmarktrallye der letzten Monate erscheint uns das aber hinlänglich eingepreist. Auch diese weniger drastischen Zollanhebungen dürften in den nächsten Monaten –insbesondere in den USA –für einige schwächere Wirtschaftsdaten und erhöhte Inflationszahlen sorgen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo der Aktienmarkt bereits überkauft ist, Risiken eher ausgeblendet werden und mit August und September die historisch schwächsten Börsenmonate angebrochen sind. Aus unserer Sicht kein Grund für kurzfristig überschießenden Optimismus.
Dem stehen allerdings auch einige positive Entwicklungen gegenüber: Die Unternehmen –insbesondere in den USA –bringen in der aktuellen Berichtssaison großteils ausgezeichnete Quartalsergebnisse und Ausblicke. Für das abgelaufene Quartal dürften die US-Unternehmensgewinne um fast 10 % p.a. gestiegen sein! Vor kurzem lag hier die Markterwartung noch bei nur knapp 2 %. Und auch der Konjunkturausblick für 2026 ist aus aktueller Sicht recht favorabel, entsprechend erwarten die Analysten für 2026 ein US-Gewinnwachstum von gut 12 % p.a. –was üblicherweise mittelfristig auch zu steigenden Aktienmärkten führt. In diesem Umfeld positionieren wir uns kurzfristig neutral, wasglobale Aktien betrifft. Unsere Übergewichtung von Edelmetallen behalten wir bei, halten sie jetzt aber gegenüber EUR-Staatsanleihen.
Ausblick – Aktienmärkte regional
Regionale Über-und Untergewichtungen
Kurzfristig(taktisch):
Wir bauen unsere bestehende Übergewichtung von USA und Pazifik aus, zu Lasten einer Vergrößerung der Untergewichtungdes europäischen Aktienmarktes. Emerging Markets bleiben wir leicht untergewichtet.
Trotz hoher Bewertung spricht die aktuelle Entwicklung bei Mikro-und Makrodaten (insbesondere weit stärkeres Wachstum der Unternehmensgewinne) immer noch für die USA. In Europaist die Gewinndynamik im Vergleich zu anderen Regionen deutlich geringer, und ist mit der Outperformance seit Jahresbeginn schon viel Positives eingepreist.
Entsprechend hinkt Europa bei der Börsenperformance ca. seit April den USA, EM und Japan hinterher, und auch die Zollvereinbarung erleichtert das Umfeld für europäische Unternehmen nicht wirklich (während für US-Unternehmen die Zölle Spielraum für Preis-und damit Margenanhebungen bieten –zulasten der US-Konsumenten).
Auf Sektorenseite sind wir aktuell kurzfristig Finanz übergewichtet versus Energie, und nicht-zyklischen Konsum und IT übergewichtet versus Grundstoffe.
Strategische Asset Allocation
Aktien
Anfang März 2024 haben wir bei Euro-Aktien und japanischen Aktien Gewinne mitgenommen und im Gegenzug chinesische Aktien neu in das Portfolio aufgenommen.
Wir halten Positionen in europäischen Aktien, Emerging Markets Aktien und japanischen Aktien. US-Aktien sind aus Bewertungsüberlegungen weiterhin unattraktiv.
Staatsanleihen
Wir haben bei Staatsanleihen in den letzten Jahren aufgrund der deutlich attraktiveren Ertragsaussichten markant zugekauft.
Nach den Renditeanstiegen Anfang November 2024 und Mitte Jänner 2025 haben wir erneut zugekauft. Mitte Juni 2025 haben wir Non-Euro-Zinsrisiko aufgestockt und Euro-Zinsrisiko reduziert.
Unternehmens- & EM-Anleihen
Ende Juni 2024 haben wir bei französischen Staatsanleihen zugekauft.
Nach deutlichen Spreadeinengungen in den letzten Quartalen haben wir Anfang März Unternehmensanleihen (Investmentgrade und High-Yield), italienische Staatsanleihen und Schwellenländer-Hartwährungsanleihen reduziert.
Reale Assets
Nach einem deutlichen Rückgang bei den Inflationserwartungen haben wir im August 2024 unsere Position in inflationsgeschützten Anleihen aufgestockt.
Im Bereich der Rohstoffe (Positionen über Derivate auf Rohstoffindizes) haben wir die tieferen Niveaus bei Industriemetallen im August 2024 für eine Aufstockung genutzt.
Taktische Asset Allocation August
- Wirtschaft:
− Wirtschaftsdaten, Frühindikatoren und Eco Surprises verbessert
− Wachstumsschätzungen wurden zuletzt wieder etwas angehoben
− FED „on hold“ wegen Zöllen und Inflation, EZB hat Inflationsziel erreicht
- Unternehmen:
− Gewinnrevisionen tendieren ausgehend von USA wieder nach oben
− Berichtssaison in USA verläuft wieder positiv, in Europa gemischt
− Aussicht auf mehr Gewinndynamik in Folgequartalen und in Richtung 2026
- Stimmung:
− Anlegerstimmung etwas überhitzt, aber keine Extremwerte beim Sentiment
− Technisch zuletzt leicht überkaufte Marktkonstellation, Konzentration in US
− Globale Aktien (EUR) tendieren mit etwas festerem Dollar nach oben
- Spezialthemen:
− Geldpolitik;
− Geopolitik;
− US-Handelspolitik;
- Positionierung:
− Prec. Metals vs. Euro Staatsanleihen