Rentenaufschwung folgt auf Annus horribilis

Loys Capital Kolumne vom 24.01.2023

Einen Anleihejahrgang wie 2022 dürfte kaum ein Anleihefondsmanager je erlebt haben. Lediglich die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts brachten einen dramatischen Rentenmarktcrash hervor, jedenfalls in Amerika. Auf breiter Front erlebten die Bondmärkte der Welt im abgelaufenen Jahr einen Jahrhundertcrash.

Bei Anleihen mit langen Laufzeiten waren Kurseinbrüche von 20% und mehr die Regel. Selbst der REX-P Index, der die durchschnittliche Wertentwicklung deutscher Staatsanleihen (AAA-Bewertung und mittlere Laufzeit!) misst, brach um fast 12% ein. Viel gewaltiger fiel der Crash bei Langläufern aus. Die am 31.August 2021 zu 100 EUR begebene deutsche Bundesanleihe mit Tilgungsdatum 15. August 2052 und einem Zinskupon von Null büßte fast die Hälfte ihres Wertes ein und notierte zum Jahresultimo bei 53 EUR. Noch radikaler wütete der Crash bei hundertjährigen Anleihen wie etwa der Österreich-Anleihe mit Tilgungsdatum 30. Juni 2120 und einem Zinskupon von 0,85%. Dieses Staatspapier fiel binnen zwei Jahren von 132 auf zuletzt 46 zurück. Derartige Staatsanleihen weisen indessen sehr gute Beurteilungen durch die bekannten Ratingagenturen auf. Schaut man sodann auf Unternehmensanleihen, welche von den Ratingagenturen als investierbar eingestuft werden, dann ergeben sich noch heftigere Einbrüche. Im Segment der Schrottanleihen hat das Jahr 2022 nachgerade eine apokalyptische Kursentwicklung mit sich gebracht.

Nur drei Wochen später sieht die Zinswelt auf einmal viel positiver aus. Die Anleihekurse sind angestiegen und der Inflation sagen einige Auguren bereits einen raschen Tod voraus, vor allem in den USA. Daraufhin sind dort langlaufende Staatsanleihen stark im Kurs angesprungen. Satte Kursgewinne von bis zu 7% waren binnen der letzten drei Wochen zu verzeichnen. Etwas weniger optimistisch verlief der Rentenhandel in der Eurozone. Dort rechnen Volkswirte mit zwei weiteren Leitzinserhöhungen durch die EZB auf dann 3%. Manche Marktbeobachter trauen der EZB angesichts der erforderlichen politischen Rücksichtnahmen und Mehrheiten keine schärfere Gangart bei der Inflationsbekämpfung zu. Es mag sich als Vorteil für Amerikas Wirtschaft erweisen, dass die dortige Fed viel energischer auf die in Galopp geratene Geldentwertung reagiert hat. In den USA liegen die Leitzinsen derzeit mit 4,5% mehr als doppelt so hoch wie in der Eurozone, wenngleich die Inflation in Europa höher und hartnäckiger auszufallen scheint. Während in den USA erste Optimisten bereits Zinssenkungen zum Jahresende für möglich halten, kann dergleichen für die Eurozone nahezu ausgeschlossen werden. Auch die dramatische Zunahme der Verschuldung in der alten Welt – nicht zuletzt in Deutschland – dürfte Zinssenkungsphantasien am langen Ende der Zinsstrukturkurve Grenzen setzen.

Besonders spannend wird es sein, die Auswirkungen der oben beschriebenen Zinsentwicklung des Jahres 2022 auf den Immobilienmarkt und die Altersvorsorgesysteme zu studieren. Erste Meldungen und Anzeichen verheißen in diesem Bereich nichts Gutes.

Aus Chicago

Ihr
Dr. Christoph Bruns
 

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