FIDUKA “Das Investment” vom 20.10.2025
Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der Fiduka.
Ausufernde Staatsschulden: Warum ein Schuldenabbau auf Kosten von Anlegern keine gute Idee ist und wie Notenbanken stattdessen handeln könnten, erklärt Marco Herrmann.
Nach aktuellen Daten des Internationalen Währungsfonds hat die globale Staatsverschuldung 93 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht. In den Industriestaaten treibt besonders der hohe Finanzbedarf infolge von der
Alterung der Gesellschaft, notwendiger Transformation und geopolitischer Unsicherheit die Schulden stetig nach oben
Zinslasten steigen mit jeder Refinanzierung
Derzeit stehen vor allem die USA und Frankreich im Mittelpunkt der Anlegersorgen, deren Staatsverschuldung rund 120 Prozent des BIP beträgt. Zusätzlich fallen beide mit einem Haushaltsdefizit von fast 7,5 Prozent (USA) beziehungsweise. 5,5 Prozent (Frankreich) negativ auf. Aber auch in China nimmt die Schuldendynamik ordentlich Fahrt auf. Die staatliche Verschuldung beläuft sich dort mittlerweile auf 96 Prozent des BIP. Spitzenreiter bleibt jedoch Japan mit einer Verschuldung von rund 230 Prozent.
Die zunehmenden Schulden führen zwangsläufig in eine Zinsfalle. Da die aktuellen Kapitalmarktzinsen in der Regel deutlich über dem durchschnittlichen Zins der ausstehenden Schulden liegen, steigen die Zinslasten mit jeder Refinanzierung. So mussten die USA im vergangenen Jahr rund 1,2 Billionen Dollar allein für Zinszahlungen aufbringen. Es bestehen jedoch weder ausreichende Reserven in den Budgets noch politischer Spielraum für umfangreiche Sparprogramme, zumal die gesellschaftliche Akzeptanz für harte Maßnahmen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit nicht vorhanden ist.
Im Zentrum dieser Entwicklung stehen die großen Notenbanken, die Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB). Nach der Finanz- und Eurokrise sowie der Corona-Pandemie hatten beide Institutionen ihre Bilanzen durch den Kauf von Anleihen massiv ausgeweitet, um die Finanzmärkte zu stabilisieren und den Regierungen günstige Refinanzierungskonditionen zu ermöglichen.
Quantitative Tightening - Ende in Sicht
Aufgrund des sprunghaften Anstiegs der Inflation vor rund drei Jahren mussten die Notenbanken ihre lockere Geldpolitik aufgeben. Neben Zinserhöhungen wurde auch der gehaltene Anleihenbestand schrittweise abgebaut. So hat beispielsweise die Fed ihre Bilanzsumme von rund 8,9 Billionen US-Dollar, dem Höchststand im Jahr 2022, auf aktuell rund 6,6 Billionen US-Dollar reduziert. In Relation zum US-BIP sank das Bilanzvolumen auf etwa 22 Prozent.
Im Frühjahr 2025 hat die Fed jedoch damit begonnen, den Bilanzabbau deutlich zu verlangsamen. So wurde der monatliche „Redemption Cap“ für US-Staatsanleihen von 25 auf fünf Milliarden Dollar gesenkt – ein Signal, dass die Notenbank auf die schwindende Marktliquidität und höhere finanzielle Risiken reagiert. Auch innerhalb der amerikanischen Notenbank selbst wird zunehmend darüber debattiert, ob und wann der Bilanzabbau ganz gestoppt werden sollte, um eine Destabilisierung des Banken- und Geldmarktsystems zu vermeiden. Die jüngsten Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell stärken die Erwartungen eines baldigen Endes des sogenannten Quantitative Tightenings. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die EZB ähnliche Überlegungen anstellt.
Rückkehr zur aktiven Anleihekäufen oder gar Yield Curve Control?
Angesichts steigender Zinskosten und fiskalischen Handlungsdrucks ist mittelfristig ein Strategiewechsel wahrscheinlich. US-Präsident Donald Trump steht für eine expansive Fiskalpolitik und wird aller Voraussicht nach weiterhin Druck auf die Fed ausüben, um sie dazu zu bringen, Staatsanleihen gezielt aufzukaufen und so das Zinsniveau zu kontrollieren.
Ein solches „Yield-Curve-Control“-Programm hatte die Fed bereits in den 1940er Jahren praktiziert. Damals waren die Staatsschulden aufgrund des Zweiten Weltkriegs explodiert. Über mehr als ein Jahrzehnt drückte die Fed das Zinsniveau, was auf Kosten der Anleger eine Entlastung der Staatsfinanzen ermöglichte, da die Inflation meist über dem Zinsniveau lag. Dieser Mechanismus wird als finanzielle Repression bezeichnet. Nach der globalen Finanzkrise 2008/2009 wurde ähnlich reagiert. Folgt die Fed wieder diesem Kurs, ist davon auszugehen, dass auch die EZB nachzieht, da die fiskalische Lage in Europa aufgrund von Demografie und schwachen Wachstum als noch fragiler gilt.
Weitere Option: Anleihen austauschen
Alternativ zu direkten Käufen könnten die Fed oder die EZB versuchen, ihre bestehenden Anleihen umzustrukturieren, beispielsweise in längere Laufzeiten mit niedrigeren Kupons. Dadurch würde die laufende Zinslast gesenkt, ohne dass kurzfristig enorme Anleihenkäufe erforderlich wären.
Die Kombination aus explodierenden Staatsschulden, steigenden Zinskosten und einem politisch begrenzten Spielraum für Sparmaßnahmen erhöht den Druck auf die Fed und die EZB, schon in absehbarer Zeit erneut in den Anleihemarkt einzugreifen.
Die Folge könnte eine neue Ära der finanziellen Repression sein, die zwar temporär Entlastung verschafft, die Verschuldungsproblematik jedoch nicht langfristig löst, da die strukturellen Gegenkräfte immer mächtiger werden. Die Alterung der Gesellschaft reduziert das Wachstumspotenzial, während sie gleichzeitig die Kosten der Sozialversicherungssysteme erhöht.
Hinzu kommen erhöhte Ausgaben für Verteidigung und nationale Sicherheit, während die Deglobalisierung die Kosten in die Höhe treibt und somit das Wachstum bremst.
Rat an Anleger
Ein Herauswachsen aus der Schuldenlast, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg gelang, erscheint unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen, zumindest für Europa, deshalb höchst unwahrscheinlich. Gleichzeitig wären nachhaltige Reformen notwendig, die die Regierungen jedoch aus Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen nicht umsetzen werden. Anleger sollten daher verstärkt auf Sachwerte setzen, allen voran auf Aktien, Gold und die eigene Immobilie.