Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 31.10.2025
Inzwischen scheint fast in Vergessenheit geraten, dass Präsident Trumps Zollankündigungen am 2. April die Finanzmärkte eine Zeit lang durchaus belastet haben: Die Anleger versuchten hastig, abzuschätzen, ob und wie ernsthaft die US-Konjunktur und der Welthandel in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Für die Finanzmärkte handelte es sich um einen Sturm im Wasserglas, weil die US-Administration ihre Strategie änderte, die Beziehungen zu China auf eine solidere Grundlage stellte und erfolgreich eine Reihe von Abkommen mit anderen Ländern abschloss, was zu einem deutlichen Anstieg der durchschnittlichen US-Zollsätze und -Zolleinnahmen führte.
Am 5. November wird es noch einmal um diese historischen Ereignisse gehen. An diesem Tag wird vor dem Supreme Court über die Frage verhandelt, ob sich die US-Administration bei der Festlegung ihrer reziproken Zölle zu Recht auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) berufen durfte. In vorhergehenden Instanzen wurde entschieden, dass der IEEPA die Exekutive nicht dazu befugt, Zölle zu verhängen; dies sei traditionell Sache des Kongresses.
Das Gericht wird voraussichtlich relativ rasch eine Entscheidung treffen; die meisten Beobachter gehen davon aus, dass das Urteil bis zum Jahresende vorliegt. Es wird beträchtliche Auswirkungen haben. Wenn das Gericht die Zölle aufrechterhält, weitet es damit die Notstandsbefugnisse des Präsidenten beträchtlich aus. Das wäre dann ein weiteres Indiz dafür, dass die Regierung Trump gut damit fährt, weitreichende Entscheidungen im Vertrauen darauf zu treffen, dass der Supreme Court schon zu ihren Gunsten entscheiden wird, auch wenn es dafür nicht unbedingt Präzedenzfälle gibt. Wenn es die Zölle dagegen für unrechtmäßig erklärt, müsste die Regierung Trump gegebenenfalls ihre Entscheidungen zurücknehmen und bereits entrichtete Zölle zurückerstatten. Die entsprechenden potenziellen Verbindlichkeiten für die US-Regierung werden auf über 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Von einer solchen Entscheidung würden zum Beispiel US-Importeure durchaus profitieren. Gleichzeitig wäre es zumindest vorübergehend negativ für den US-Dollar und für langfristige USTreasuries, wenn eine wichtige Komponente der Wirtschaftsstrategie der US-Regierung auf diese Weise ausgehöhlt würde. Natürlich wäre es auch möglich, dass das Gericht einen Mittelweg sucht und die Zollbelastung nur in begrenztem Umfang mindert.
Es ist schwierig, einen guten Indikator für die Markterwartungen in Bezug auf das Urteil zu finden. Die Prognosemärkte können zwar grobe Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Alternativen liefern, aber die dortigen Kontrakte sehen in der Regel ein Enddatum vor, bis zu dem die Entscheidung getroffen worden sein muss. In der Regel handelt es sich dabei um das Jahresende. Wenn man dies berücksichtigt, liegt die Wahrscheinlichkeit einer für die Regierung günstigen Entscheidung bei etwa einem Drittel. Das deutet darauf hin, dass eine Mehrheit wohl damit rechnet, dass der Supreme Court die Urteile der Vorinstanzen nur zum Teil bestätigt.
Die Regierung Trump hat angeführt, dass eine Rücknahme der Zölle große wirtschaftliche Schäden mit sich brächte. Daher ist wohl damit zu rechnen, dass sie neue Wege suchen wird, um die Zölle zu erheben. Dafür könnte sie aus rechtlicher Sicht mehrere andere Wege wählen. Aber die Regierung hätte wohl weniger Handlungsspielraum, und es könnte länger dauern, bis die neuen Zölle in Kraft treten. Das könnte wie bereits zum Jahresbeginn dazu führen, dass die künftige Nachfrage vorgezogen wird, um die Auswirkungen der Zölle für Unternehmen und Kunden abzumildern. Aus volkswirtschaftlicher Sicht hat sich die Weltwirtschaft als resilient gegenüber den höheren US-Zöllen erwiesen. Das spricht dafür, dass auch eine neue Unsicherheitsphase in der US-Handelspolitik nur begrenzte Auswirkungen haben dürfte.
Die Woche voraus
Der Shutdown der US-Behörden dauert länger an als erwartet, so dass weiterhin nicht klar ist, wann die US-Wirtschaftsdaten veröffentlicht werden; eventuell werden manche Daten sogar ausgelassen. Zumindest der ISM-Index für den Dienstleistungssektor soll jedoch veröffentlicht werden. Er dürfte nach dem schwachen Niveau vom vergangenen Monat etwas besser ausfallen.
Im Euroraum stehen in der kommenden Woche nicht allzu viele Daten an: Die Produzentenpreisinflation dürfte niedrig bleiben. In Deutschland sollte die Industrieproduktion nach einem wohl übertriebenen Rückgang im August, der auf die später als üblich liegenden Betriebsferien im Autosektor zurückzuführen war, wieder ansteigen.
In Großbritannien hat sich die Stimmung an den Rentenmärkten verbessert, nachdem sich der Lohn- und Preisauftrieb in den vergangenen Wochen verlangsamt hat. In diesem Umfeld findet eine Sitzung der Bank of England statt. Die Markterwartungen sind jedoch in Bezug auf eine mögliche Zinssenkung sehr gedämpft, da mit der Vorstellung des Haushalts im Laufe des November ein sehr wichtiges Ereignis ansteht.
Zuletzt werden in China zum Ende der Woche hin Handelsdaten veröffentlicht. Angesichts des Umfangs der von den USA verhängten Zollerhöhungen hat sich der chinesische Handel sehr beeindruckend geschlagen. Nichtsdestotrotz wird in der kommenden Woche eine gewisse Abschwächung des Exportwachstums erwartet.
Ihr
Sean Shepley
Senior Economist