Raiffeisen Capital Management "Märkte unter uns" September 2024
Die US-Notenbank Fed hat auf der Jackson-Hole-Konferenz erste Signale für eine erste Leitzinssenkung im September gesendet. Der Songtitel aus der Überschrift bietet sich an, um deren Bedeutung für die Märkte hervorzuheben. Damit wird der von den Marktteilnehmern herbeigesehnte Richtungswechsel im Zinspfad offiziell eingeläutet und die bereits eingepreiste Trendwende am Rentenmarkt bestätigt. Bis dato war die unveränderte US-Zinspolitik entsprechend restriktiv, denn die Inflationsrate tendiert bereits seit geraumer Zeit in Richtung der angepeilten Zielgröße von zwei Prozent, und die Wirtschaftsdaten inklusive der Spätindikatoren vom Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Monaten schon merklich abgeschwächt. Der Umfang des ersten Zinssenkungsschritts hängt noch von den Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten ab. Bisher lag der Fokus der Fed auf der Bekämpfung der Inflation, nun wird erwartet, dass sie sich verstärkt auf das Ziel der Beschäftigung konzentriert. Bei aller Euphorie über die erste Zinssenkung der Fed ist aber auch Vorsicht angesagt. Grundsätzlich ist es positiv zu sehen, wenn die Zinsen sinken, jedoch nur dann, wenn die Fed die Zinsen senken kann, aber nicht muss. Andernfalls könnte die Zinswende für Risky Assets durchaus schon als Bestätigung dafür interpretiert werden, dass sich die US-Konjunktur deutlich abschwächen und damit verbunden auch das Gewinnwachstum bei den Unternehmen leiden wird. Rezessionen haben häufig erst nach einem ersten Senkungsschritt begonnen, und nur selten konnte eine Rezession mithilfe von Zinssenkungen abgewendet und das Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden. Wenn es in den USA keine Rezession gibt und das von den meisten Investoren erwartete Soft Landing gelingt, könnten die Renditetiefs der zehnjährigen US-Staatsanleihen aufgrund der bereits eingepreisten Zinssenkungen kurzfristig schon erreicht worden sein. Aus unserer Sicht ist aktuell noch keine klare Evidenz weder für das Rezessions- noch für das Soft-Landing-Szenario gegeben. Nach einer durchgehenden taktischen Aktienübergewichtung im ersten Halbjahr sind wir bereits vor der jüngsten turbulenten Marktphase zu einer neutralen Position gewechselt und bleiben vorerst dabei.
Marktumfeld – Anleihemärkte
Euro-Staatsanleihen: Kurs-Rally stoppt im August
Nach den starken Kursanstiegen bei fast allen Anleiheklassen im Juli (tiefere Inflationsdaten und schwächere Konjunkturdaten ließen die Leitzinserwartungen und dementsprechend Anleiherenditen stark sinken) stabilisierten sich die Märkte im August. Das Renditeniveau bei zehnjährigen deutschen und US-Staatsanleihen tendierte den Großteil des Monats seitwärts. Das reichte dank attraktiver Renditeniveaus bei fast allen Anleihetypen für ein weiteres Monat mit leicht positiver Performance, Spitzenreiter waren Hartwährungs- und Unternehmensanleihen der Emerging Markets. Negativ performten in unserer Übersicht für August nur die US-Dollar-Anleihen, weil der US-Dollar auch im August gegenüber dem Euro weiter abwertete. Bis auf die Ausnahme deutsche Staatsanleihen ist damit bei praktisch allen Anleiheklassen die Gesamtperformance seit Jahresbeginn weiterhin im deutlich positiven Bereich.
Marktumfeld – Aktienmärkte
Aktienmarkt: Korrektur schon vorüber
Die starke Aktienmarktkorrektur im Juli (der breite US-Aktienmarkt verlor von Anfang Juli bis Anfang August etwa 8 Prozent) wurde im August ebenso schnell wieder ausgeglichen. Mit Ende August notierten die meisten Börsenindizes bereits wieder nahe ihrer Kurshochs von Anfang Juli, im Dax reichte die Erholungsrally sogar für ein neues Intraday-Hoch. Hauptgrund dafür dürfte sein, dass sich die Anfang Juli aufpoppenden Rezessionsängste vorerst als unbegründet erwiesen haben. Die jüngsten Wirtschaftsdaten zeigen vor allem in den USA eine stabile Konjunktur. Gleichzeitig stärkt der Rückgang der Inflation die Erwartung des Marktes, dass bald Zinssenkungen folgen könnten.
Selbst in Japan, wo der starke Anstieg des Yen Anfang August den Aktienmarkt innerhalb von drei Tagen um rund 8 Prozent einbrechen ließ, wurde der gesamte Kursrückgang noch im gleichen Monat wieder ausgeglichen. Solche starke Schwankungen sind glücklicherweise selten bei einem so großen Aktienmarkt. Der zweite Grund für die Korrektur im Juli – die zunehmende Skepsis gegenüber der KI-Euphorie – scheint noch stärker nachzuwirken. Die großen US-Tech-Konzerne, die in diesem Jahr stark von der KI-Hype profitiert haben, lagen Ende August immer noch deutlich unter ihren Sommer-Hochs.
Marktumfeld – Rohstoffe und Währungen
US-Dollar-Schwäche setzt sich im August fort
Auch im August setzte sich die rasante US-Dollar-Abwertung fort und war (neben einigen ebenfalls schwächeren Schwellenland-Währungen) die dominante Bewegung des Monats. Mit Spitzenwerten von rund 1,12 erreichte der Euro gegenüber dem US-Dollar Ende August Höchstwerte wie zuletzt im Sommer 2023, und befindet sich damit im obersten Bereich seiner Seitwärts-Bandbreite der letzten zwei Jahre. Während die höheren Zinsen in den USA in den letzten Jahren den US-Dollar gestärkt haben, haben die Erwartungen an baldige und starke Zinssenkungen in den USA in den letzten zwei Monaten zu einer Abwertung des Dollars geführt.
Beim Goldpreis führte die US-Dollar-Schwäche wie so oft zu einem Preisanstieg, der ihn – in US-Dollar gerechnet – sogar auf ein neues Allzeithoch knapp über 2500 US-Dollar pro Unze brachte. Umgerechnet in Euro blieb vom höheren Goldpreis aber entsprechend wenig übrig, die Bewegung ging im August seitwärts. Schwach entwickelten sich neuerlich die Energiepreise – der Markt geht offensichtlich unverändert davon aus, dass die Konflikte im Nahen Osten keine relevanten Öl-Exporte beeinträchtigen werden.
Ausblick – Globale Wirtschaft
Rezessionsängste nehmen ab - aber noch keine Entwarnung
Nachdem Anfang August Sorgen über eine mögliche Rezession aufgekommen sind, zeigen die aktuellen Wirtschaftsdaten, dass die US-Wirtschaft sich momentan nicht in einer Rezession befindet. Das BIP-Wachstum für das zweite Quartal wurde sogar auf annualisierte 3 Prozent nach oben revidiert, und die Entlassungszahlen tendierten zuletzt wieder nach unten. Auch die Vorlaufindikatoren deuten nicht auf eine Rezession in der nahen Zukunft hin. Zwar befindet sich die US-Industrie weiterhin in einer Rezession, die sie bereits größtenteils der letzten zwei Jahre erlebte, aber der viermal größere Dienstleistungssektor wächst weiterhin stark. Das könnte sich natürlich ändern, solange die hohen Zinsen noch (negativ) nachwirken – kommende Zinssenkungen brauchen dann ja erst wieder mehrere Quartale, um ihre Wirkung zu entfalten. Daher ist es wichtig, die Konjunkturvorlaufindikatoren und die Lage des US-Arbeitsmarktes in den nächsten Monaten genau zu beobachten. Ähnlich sieht es in der Eurozone aus: Das Wachstum ist zwar schwächer (BIP im zweiten Quartal annualisiert 1,2 Prozent), aber auch hierzeigen die Daten, dass die Rezession hauptsächlich die Industrie betrifft, während der Dienstleistungssektor zumindest leicht wächst.
Ausblick – Inflation und Notenbanken
Deutlich tiefere Inflationsraten lassen Notenbanken handeln
Bereits mit den tieferen Inflationsraten im Juli hatte der Zinsmarkt kräftige Zinssenkungen für die nächsten Monate gepreist. Seither waren die Nachrichten diesbezüglich uneingeschränkt positiv: Die Rezessionsängste haben im August wieder etwas nachgelassen und die Zinssenkungserwartungen blieben dank nochmals gefallener Inflationsdaten unverändert optimistisch. Und das zu Recht: In der Eurozone sank die Inflation im August auf 2,2 Prozent pro Jahr – den niedrigsten Wert seit drei Jahren und praktisch am Ziel der EZB von 2 Prozent. Selbst in Österreich geht die Inflationsrate mit einer seit zwei Jahren zu beobachtenden Verzögerung zur Eurozone weiter nach unten, und hat mit zuletzt 2,4 Prozent pro Jahr die Eurozone schon fast eingeholt. Eine nächste Zinssenkung der EZB um 0,25 Prozentpunkte am 13. September scheint sicher. Der Zinsmarkt erwartet zudem, dass die Zinsen bis Mitte 2025 auf etwas über 2 % sinken werden. Das wäre realistisch, da es dem historisch durchschnittlichen Leitzinsniveau entspricht. Ähnlich positiv ist der Inflationstrend in den USA, weshalb auch dort eine erste Zinssenkung am 18. September um voraussichtlich 0,25 Prozentpunkte nahezu sicher ist. Der Zinsmarkt erwartet bis Ende 2025 weitere Senkungen auf etwa 3 Prozent, was dem historisch durchschnittlichen Zinsniveau für die USA entspricht.
Ausblick – Anleihemärkte
Anleihemärkte: Unternehmensanleihen und Emerging Markets Anleihen weiterhin bevorzugt
Obwohl die Renditen auf einigen Anleihemärkten im August leicht gestiegen sind, spiegeln die aktuellen Renditen bereits Zinssenkungen wider. So liegt die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen immer noch nur bei 2,3 Prozent (nach einem Tief von etwa 2 Prozent Ende 2023), während der Markt für 2025 ein Leitzinstief von 2,25 Prozent erwartet. Deshalb sehen wir bei den aktuellen Renditen wenig Spielraum für noch tiefere Anleiherenditen, es sei denn, die Konjunktur bricht erneut ein. Derzeit erwarten wir aber weiterhin positives Wirtschaftswachstum und setzen daher unverändert auf eine Übergewichtung von Unternehmensanleihen (Euro Investment Grade), von Staatsanleihen Italien und Frankreich innerhalb der Euro-Staatsanleihen, und von Schwellenland-Anleihen in Hartwährung (US-Dollar), gegenüber US-Staatsanleihen.
Ausblick – Aktienmärkte global
Aktienmarkt: Vorsichtig in den Herbst
Nach einer langen Phase der Übergewichtung von Aktien haben wir Anfang Juli auf eine neutrale Gewichtung gewechselt, und so unser Portfolio vor unnötiger Volatilität geschützt. Positiv stimmt uns, dass die Mehrheit der Daten, besonders in den USA, weiterhin für eine weiche Landung und gegen eine Rezession sprechen. Kürzlich haben robuste Wirtschaftsdaten und sinkende Inflationszahlen die Aussicht auf großzügige Zinssenkungen gestärkt, was auch den Aktienmärkten zugutekommt. Der entscheidende Faktor für die Aktienmarktrichtung ist aber die Konjunktur: würde diese einbrechen, würden auch Zinssenkungen einen Aktienmarkteinbruch nicht verhindern. In einigen Bereichen, wie dem US-Arbeitsmarkt und dem weltweiten Industriesektor weltweit sehen wir die Rezessions-Risiken noch nicht ausreichend gebannt. Hier möchten wir noch klarere Anzeichen einer Stabilisierung abwarten, bevor wir Aktienmärkte wieder übergewichten. Kurzfristig spricht auch die noch erhöhte Rückschlagsgefahr im September sowie mögliche Störungen durch die US-Wahlen gegen eine Anhebung der Aktienquote. Auf der Unternehmensseite sehen wir jedoch überwiegend positive Entwicklungen: Gewinnmeldungen und Ausblicke sind weiterhin erfreulich. Auch die Marktbreite hat sich verbessert, da der Aktienmarkt insgesamt wächst, obwohl einige große US-Tech-Konzerne, die früher die Rally anführten, etwas zurückgefallen sind. Andere Branchen und Themen holen jedoch auf, was eine starke Gesamtmarktentwicklung ermöglicht.
Ausblick – Aktienmärkte regional
Selektive taktische Über- und Untergewichtungen
Kurzfristig (taktisch): Netto gehen wir bei den kurzfristigen (taktischen) Aktienmarkt-Gewichtungen im September nur sehr wenige und kleine Positionen ein – auch angesichts der weiterhin hohen erwarteten Marktschwankungen. Die meisten unserer kurzfristigen Positionen setzen auf relative Bewegungen innerhalb derselben Region, hauptsächlich in Europa und den Emerging Markets. Insgesamt haben wir Nordamerika etwas stärker gewichtet als die anderen Regionen. Für den September haben wir keine expliziten Sektorpositionen. Mittel- und längerfristig erwarten wir unverändert, dass sich die Aktienmärkte breiter entwickeln – erste Anzeichen dafür haben wir in den letzten Wochen bereits gesehen.
Strategische Asset Allocation
Aktien
In Q1 2024 erfolgte eine modell-getriebene Aufstockung bei Euro-Aktien. Anfang März haben wir bei Euro-Aktien und japanischen Aktien Gewinne mitgenommen und im Gegenzug chinesische Aktien neu in das Portfolio aufgenommen. Wir halten Positionen in europäischen Aktien, Emerging Markets Aktien und japanischen Aktien. US-Aktien sind aus Bewertungsüberlegungen weiterhin unattraktiv.
Staatsanleihen
Wir haben bei den Staatsanleihen in den letzten 2 Jahren aufgrund der deutlich attraktiveren Ertragsaussichten markant zugekauft (letzter Zukauf im April 2024). Nach den deutlichen Renditerück-gängen in den letzten Monaten haben wir im August das Zinsrisiko auf ein neutrales Niveau zurück-genommen.
Unternehmens- & EM-Anleihen
Nach deutlichen Spread-Einengungen in den letzten Monaten haben wir Anfang März Unternehmensanleihen (IG und HY), italienische Staatsanleihen und Emerging Markets Hartwährungsanleihen reduziert. Ende Juni haben wir bei französischen Staatsanleihen zugekauft. Bei Emerging Markets Währungen haben wir 2023 in mehreren Schritten Gewinne mitgenommen.
Reale Assets
In den letzten Monaten wurden die Inflationserwartungen auf Sicht der nächsten Jahre deutlich zurückgenommen. Wir haben daher im August unsere Position in inflationsgeschützten Anleihen aufgestockt. Im Bereich der Rohstoffe (Positionen über Derivate auf Rohstoffindizes) haben wir die tieferen Niveaus bei Industriemetallen für eine Aufstockung genutzt.
Taktische Asset Allocation August
- Wirtschaft: Abschwächung bei Wirtschaftsdaten wieder etwas eingebremst; Inflationsrückgang setzt sich fort, Risiko einer geopolitischen Eskalation (Ölpreis!); Fed-Zinsschritt im September erscheint fixiert, Ausmaß datenabhängig
- Unternehmen: Solide US- Berichtssaison in Q2, wenn auch mit wenig positiven Überraschungen; Für Q3 in den USA deutlich weniger Gewinnwachstum erwartet als in Q2; Ausgewogene globale Gewinnrevisionen, USA tendenziell besser als Europa
- Stimmung: Stimmungsindikatoren und Positionierungen weiterhin recht optimistisch; Zuletzt verbesserte Marktbreite hält sich auch in volatiler Marktphase; Aktien-Aufwärtstrend bis dato noch nicht durch neue Höchststände bestätigt
- Spezialthemen: Geldpolitik; Geopolitik; US-Wahlen
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