DWS Anlagethemen vom 24.10.2025
Andre Köttner, Fondsmanager der insgesamt 25 Milliarden schweren Aktienfonds DWS Vermögensbildungsfonds I und DWS ESG Akkumula, über umstrittene Narrative an den Kapitalmärkten, warum er Unternehmen mit monopolistischer Stellung misstraut, und weshalb die Fokussierung auf mögliche Markteinbrüche selten hilfreich ist.
Interview mit Andre Köttner, Fondsmanager bei der DWS
Wie ist Ihre Einschätzung für die Aktienmärkte in den kommenden zwölf Monaten?
Marktprognosen sind grundsätzlich schwer. Ich bin jemand, der sich auf die Auswahl von Einzeltiteln konzentriert, also ein sogenannter Bottom-Up-Investor. Der Markt ist derzeit sehr zweigeteilt. Einerseits sehen wir schon seit langem eine Euphorie bei den KI-Gewinnern. Es gibt aber auch viel Pessimismus. Ganze Branchen, die sich seit fünf Jahren kaum bewegt haben, weil auf ihnen das Stigma von KI-Verlierern lastet.
Welche Aktien beziehungsweise Branchen sind perspektivisch besonders aussichtsreich?
So seltsam es vielleicht klingen mag. Unter den vermeintlichen KI-Verlierern gibt es momentan vielleicht die interessantesten Werte. Natürlich nicht generell. Aber da gibt es sehr interessante Unternehmen mit zweistelligem Umsatzwachstum und sehr guten Gewinnmargen, zum Beispiel aus dem Softwarebereich oder bei IT-Servicefirmen, die sich kaum bewegt haben. Einfach, weil sie nicht zu dem Narrativ passen, das die Kapitalmärkte derzeit beherrscht.
„Es gibt Unternehmen, die mit mehr als dem 100-fachen ihres Umsatzes bewertet sind. Das hat es nicht einmal in Zeiten der Dotcom-Blase gegeben.“
Und was ist mit den Top-Performern aus den Bereichen Technologie/Künstliche Intelligenz, die beinahe im Alleingang für die gute Wertentwicklung des S&P 500 in den vergangenen Jahren gesorgt haben?
Diese Firmen sind nicht umsonst so stark gestiegen. Das Potenzial ist riesig. Doch sollte auch hier genauer hingesehen werden. Da gibt es Unternehmen, die mit mehr als dem 100-fachen ihres Umsatzes bewertet sind. Das hat es nicht einmal zu Zeiten der Dotcom-Blase in den späten 1990er-Jahren gegeben. Bei Unternehmen, die aufgrund ihrer monopolartigen Stellung enorm hohe Nettomargen erzielen, stellt sich die Frage, wie lange eine solche Position – und damit auch die Margen – in die Zukunft hinein haltbar sind. Wenn hier Wettbewerber auftreten, können die Margen auch ganz schnell deutlich zurückgehen und die exorbitanten Bewertungen nicht mehr zu halten sein.
Wie hoch ist das Risiko an den Aktienmärkten?
Natürlich können Rücksetzer jederzeit kommen. Die Frage, wann sie kommen, kann auch ich als langjähriger Kapitalmarktexperte leider nicht beantworten. Aber es gibt schon eine enorme Konzentration an den Aktienmärkten, insbesondere in den USA. Bei vielen Anlegern, gerade bei Privatanlegern, sind es die Schlagworte, die verfangen und die sie in die gehypten Titel investieren lassen. Der Trend zur Konzentration wird zudem auch noch von ETFs befördert. Die am höchsten gewichteten Titel sind häufig in vermeintlich breiten Index-ETFs und in sogenannten Themen-ETFs vertreten. Das bedeutet, dass in die Titel, die sowieso schon groß sind, immer noch mehr Geld fließt.
Euro-Anleger haben 2025 die schmerzliche Bekanntschaft mit dem Wechselkursrisiko gemacht.
Das stimmt. Wegen des schwachen US-Dollars ist für Euro-Anleger von den Kursgewinnen am US-Markt praktisch nichts übriggeblieben.
„Langfristig gesehen, spielt die Währung eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur Aktienmarktbewertung.“
Wie gehen Sie damit um? Sichern Sie Wechselkursrisiken ab?
Nein, das tue ich nicht. Das kann kurzfristig zwar schon einmal zu unerfreulichen Ergebnissen führen. Aber langfristig gesehen schwankt der Dollar in etwa um einen Mittelwert von 1,17. Mal ist er stärker, mal schwächer. Natürlich könnte ich die Währungsrisiken absichern. Aber das würde jedes Jahr zwischen zwei und drei Prozent der Performance kosten. Das lohnt sich meiner Erfahrung nach nicht. Langfristig gesehen spielt die Währung eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur Aktienmarktbewertung. Und in meinen Fonds habe ich ja einen langfristigen Anlagehorizont von mindestens fünf Jahren.
Wie reagieren Sie auf diese Situation und ein mögliches Rückschlagrisiko an den Märkten?
Grundsätzlich bin ich fast immer vollständig in Aktien investiert. Chancen am Aktienmarkt gibt es zu jeder Zeit, Risiken aber natürlich auch. Ich versuche, mit einer sogenannten Hantel-Strategie für eine gute Mischung bei meinen Anlagestrategien zu sorgen. Einerseits bin ich bei den Zukunftsthemen investiert – Technologie, Künstliche Intelligenz. Andererseits habe ich auch Unternehmen mit vermeintlich langweiligen, aber gut prognostizierbaren Geschäftsmodellen im Portfolio, die gute Margen erwirtschaften und auch in Krisenzeiten Geld verdienen dürften. Wir kaufen ja auch in Krisenzeiten Zahnpasta, trinken Kaffee oder nehmen Therapien in Anspruch. Im Übrigen teile ich die Ansicht von Börsenlegende Peter Lynch: Anleger haben weitaus mehr Geld beim Vorbereiten auf Korrekturen oder beim Vorhersehen von Korrekturen verloren als in den eigentlichen Korrekturen selbst.
Ist der Boom an den europäischen Aktienmärkten schon wieder vorbei?
Ich denke als Fondsmanager, der einen Bottom-Up-Ansatz verfolgt, weniger in Regionen. Mein Fokus sind die Chancen einzelner Unternehmen. Da gibt es in jeder Region interessante Titel. Europäische Unternehmen sind beispielsweise führend bei Luxusgütern. Dazu gibt es sehr gute Unternehmen im Gesundheitssektor oder bei Basiskonsumgütern, also Produkten des täglichen Bedarfs. Im Technologie- oder Internetbereich würde ich dagegen auf ausgewählte US-Titel setzen.
Was ist mit chinesischen Aktien?
Ich beobachte China ganz genau. Das Land hat äußerst schlagkräftige Unternehmen und ist beispielsweise führend bei Batterien, Solar oder Elektroautos. Das Wachstum in Schlüsselbereichen wird vom Staat systematisch forciert. Der Staat lässt Unternehmen gegeneinander antreten und formt aus den Konkurrenten häufig global agierende Champions. Ich investiere dennoch nicht in chinesische Aktien.
„Die Renditen an den Aktienmärkten werden wohl zurückgehen. Anleger sollten nicht zu gierig sein.“
Das hört sich wie ein Widerspruch an.
Ja und nein. Aus Sicht eines ausländischen Investors gibt es nämlich eine gewichtige andere Seite, die für mich überwiegt: Die Konstruktionen chinesischer Firmen sind häufig verschachtelt und schwer zu durchschauen. Dazu kommt: Für ausländische Aktionäre gibt es kaum Möglichkeiten, ihre Rechte durchzusetzen. Mir ist das zu riskant. Das passt nicht zu meiner langfristigen Ausrichtung bei der Kapitalanlage. Die von mir gemanagten Fonds werden häufig beim Aufbau einer Altersvorsorge eingesetzt. Da müssen die Rahmenbedingungen langfristig verlässlich und kalkulierbar sein.
Was können Aktienanleger in den nächsten Jahren für Renditen erwarten?
Die durchschnittlichen Aktienmarktrenditen von zehn Prozent und mehr, die wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, dürften in den kommenden Jahren wohl eher nicht zu erreichen sein. Aktien bleiben jedoch ein sehr guter Baustein für den langfristigen Vermögensaufbau. Anleger sollten nicht zu gierig sein.