LFDE News vom 07.08.2025
Von Yann Giordmaïna, Leiter des Value-Bereichs – LFDE
Value-Ansätze sind in den vergangenen fünf Jahren ungeachtet der deutlichen Erholung in diesem Bereich von Anlegerseite eher vernachlässigt worden. Diese Asymmetrie geht zu einem erheblichen Teil auf die kognitiven Verzerrungen an den Märkten und die mit unterbewerteten Aktien in Verbindung gebrachten Stereotypen zurück.
Value-Anlagen können nachweislich mit einer durchaus ansehnlichen Erfolgsbilanz aufwarten. Seit dem Corona-Schock und dem Börsen-Tief vom 18. März 2020 hat sich der MSCI EMU Value Index innerhalb von fünf Jahren um +160,9 % erholt und damit den MSCI EMU Index (+139,3 %) um 21,6 Punkte übertroffen.* Die Wertentwicklung seit Beginn des Jahres liegt zudem bei +19,69 % gegenüber +13,75 %, was einer Outperformance von fast 6 Punkten entspricht.**
In Anbetracht dieser Leistung erscheint es angebracht, noch einmal darzulegen, worum es bei einem Value-Ansatz eigentlich geht:
Es handelt sich dabei um eine langfristig ausgerichtete Anlagephilosophie und nicht etwa lediglich um ein Kriterium für die Auswahl von Wertpapieren oder Sektoren, das ausschließlich auf der Dynamik des Konjunkturzyklus oder dem Market Timing basiert.
Wenden wir uns zunächst der Marktentwicklung und den kognitiven Reflexen der Anleger zu. Im zweiten Quartal 2018 befand sich die Weltwirtschaft auf einem konjunkturellen Höhepunkt, und bis Herbst 2019 befürchtete der Marktkonsens eine Rezession, insbesondere in der Industrie. In einem Umfeld mit Nominalzinsen im Nullbereich flossen die Kapitalströme massiv in Wachstums- und Qualitätsaktien, da diese Absicherungsqualitäten besitzen und in Phasen der geldpolitischen Lockerung in der Regel gut abschneiden.
Die Suche nach sicheren Häfen hatte sich mit dem Ausbruch der Coronakrise und dem Tiefpunkt der Märkte im März 2020 verständlicherweise beschleunigt, was tendenziell zu erheblichen Verzerrungen bei den Allokationen führte: Kaufpositionen wurden einzig und allein von einer hohen Visibilität des Gewinnwachstums abhängig gemacht, was im Endeffekt Übergewichtungen zur Folge hatte, die teilweise überzogene Ausmaße erreichten.
Die Themen Luxus und Pharmazeutika dürften dieses Phänomen, gestützt durch vielversprechende Entwicklungen rund um das GLP-1-Hormon und die künstliche Intelligenz, noch verstärkt haben.
Dementsprechend haben Anleger und Vermögensverwalter in den vergangenen fünf Jahren überwiegend einen Bogen um Value-Investments gemacht und somit nicht von der Outperformance unterbewerteter Aktien profitiert.
Eine Frage der Unternehmensgeschichte, nicht des Titelstils
Rückblickend betrachtet regt diese Phase zum Nachdenken über die Diversifizierung von Anlageansätzen und die Umsetzung von Value-Anlagen an. Value-Aktien sollten genau wie Wachstumswerte einen festen Platz im Portfolio haben. Mit anderen Worten geht es nicht um eine taktische, sondern um eine langfristige strategische Ausrichtung. Im Gegensatz zu manch gängiger Vorstellung geht ein solcher Ansatz davon aus, dass es möglich ist, zu jedem Zeitpunkt des Zyklus immer wieder unterbewertete Aktien ausfindig zu machen.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich von einer strengen Einteilung in Stile zu lösen. Weder Aktienprofile noch Sektoren sollten entsprechend abgestempelt werden. Tatsächlich zeigt eine dynamische Analyse der Börsenkurse, dass jeder Titel aus den unterschiedlichsten Gründen einen Bewertungsabschlag aufweisen kann.
Grundsätzlich erfordert das Erkennen von Anlagechancen die grundlegendsten Kompetenzen für erfolgreiche Investitionen an der Börse: Eine Analyse der Entwicklung eines Unternehmens, seiner Gewinn- und Verlustrechnungen sowie seiner Geschäftsfelder, mit dem Ziel, seinen inneren Wert den möglichen Ineffizienzen der Börsenbewertung gegenüberzustellen. Eine unorthodoxe Denkweise mit Blick auf die Fülle an Marktinformationen. Ebenfalls wichtig ist das Erkennen von Anzeichen für eine Disruption, die Unternehmensaktivitäten möglicherweise grundlegend umkrempeln könnte.