Greiffbar – Investments zum Anfassen vom 24.07.2025
Weltbedenkenträger
Wirtschaftsgipfel im Kanzleramt. Der Kanzler lädt zur Standortoffensive und die ganz Großen kommen: Deutsche Bank, Siemens, SAP, Mercedes, Bosch, BASF. Es geht um Tempo, Technologie, Talente, um ein „Made for Germany“, das mehr sein soll als ein PR-Signet für Hochglanzbroschüren. Und was machen wir draus? Wir zerreden es sofort. Zu wage, zu gewollt, zu symbolisch – so das Urteil der öffentlichen Weltbedenkenträger, die in jedem Aufbruch reflexartig PR in eigener Sache wittern. Dabei ist der Moment günstig: Entscheider mit Macht und Mitteln am Tisch, eine Bundesregierung, die zuhört statt belehrt, und ein Slogan, der sich nach Zukunft anfühlt. Doch kaum verließ der letzte CEO das Kanzleramt, war der Wind auch schon wieder raus. Permanent skandierte man: Große deutsche Unternehmen investieren zu wenig, man sollte sie in die Pflicht nehmen. Engagieren sich die Firmenlenker dann freiwillig, unterstellt man ihnen nur Eigeninteressen. Was denn nun? Der deutsche Hang zur Hyperkritik frisst jeden Aufbruch und Erneuerung zum Frühstück. Statt Welthoffnungsträger verehren wir die Weltuntergangspropheten. Statt Chancen sehen wir gerne die Risiken. Statt am Erfolg berauschen wir uns am Misserfolg. Und so tragen wir in unserer Welt stets die Bedenken, während andere mutig sind:
Weltmutführer
Dass es auch anders geht, zeigt der Blick nach Washington und Tokio: USA und Japan haben sich diese Woche auf ein neues Zollabkommen verständigt. In Zeiten des wieder aufziehenden Protektionismus ist das keine Selbstverständlichkeit, sondern ein ökonomisches Mutmachsignal, gerade mit Blick auch auf die Verhandlungen mit der EU. Weltmutführer sehen in Verhandlungen keine Bedrohung, sondern eine Gelegenheit zur Verständigung. Während sich Europa noch über den Haushalt streitet, nähern sich zwei Hightech-Nationen strategisch an, leise, konstruktiv, lösungsorientiert. Eine Blaupause für Europa, skandieren die Weltlockerseher noch am gleichen Tag und der Weltpräsidentendarsteller aus Washington bremst zeitgleich die Erwartungen, mit Europa ebenso schnell zum Verhandlungsende zu kommen, sieht aber Fortschritte. Weltmutführer verhandeln nicht über das Ob, sondern über das Wie. Denn wenn wir im globalen Strukturwandel bestehen wollen, braucht es mehr als Haushaltsdisziplin: Es braucht Haltung, Tempo und Mut zur Entscheidung. Das Abkommen mit Japan ist nicht spektakulär, aber beispielhaft. Denn es zeigt: Handelspolitik kann auch neue Kooperation bedeuten. Und Kooperation ist die neue Souveränität, um die Welt vorwärts zu denken. Apropos:
Weltvorwärtsdenker
Die deutsche Frauenfußballmannschaft ist bei der EM raus gegen Spanien. Und? Spielen sie deshalb künftig keinen Fußball mehr? Die EZB senkt diese Woche keine weiteren Zinsen. Und, steht deshalb die Wirtschaft still? Nein, wir leben in einer Weltsichweiterbeweger-Zeit. Stillstand ist keine Option, der Tod kein Finale. Ozzy Osbourne ist tot – und ich verneige mich vor seinem Leben, das lauter war als jede Heavy Metal Band. Er war nie ein Bedenkenträger, sondern ein Vorwärtsdenker mit Gitarrenverstärker. Der selbsternannte „Prince of Darkness“ war nie ein Mann der leisen Töne. Aber wer genau hinhörte, entdeckte in seinem Lärm etwas Seltenes: radikale Lebensfreude, unerschrockene Neugier, blanken Schöpfungsdrang. „I’m not afraid of dying. I’m afraid of not trying“, sagte er einmal. Weltvorwärtsdenken in Reimform. Wo andere an Normen verzweifelten, schrieb er Songs wie „Crazy Train“ und „Flying High Again“ – Titel, die man sich über die Türen von Unternehmen, Politikerbüros, Forschungseinrichtungen und Gründerzentren hängen sollte. Denn Vorwärtsdenken ist kein Konzeptpapier. Es ist Radikalität, Risiko, Rock’n’Roll. Wer sich nur auf Sicherheit verlässt, wird bestenfalls Mittelmaß. Wer vorwärts denkt, wird unsterblich. Oder wenigstens eine Legende. Ruhe in Frieden Ozzy!
Ihr Volker Schilling