Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 14.06.2019

„Wink mit dem Zaunpfahl?“
Die Kapitalmärkte goutierten die Entscheidung von Präsident Trump am vergangenen Wochenende, die angedrohten Strafzölle gegen Mexiko doch noch im letzten Moment auszusetzten. Handelt es sich dabei gar um einen Wink mit dem Zaunpfahl, dass die USA die Türe für weitere Verhandlungen mit China offenhalten möchten? Dazu könnte auch die Aussage von Chinas Präsident Xi Jinping auf einem Wirtschaftsforum in Russland dieser Tage passen, als er Präsident Trump öffentlich als seinen „Freund“ bezeichnet hat. Mit Argusaugen wird nun auf das Treffen der beiden am 28.-29. Juni beim G20-Gipfel in Japan geschaut.

Um die negativen Auswirkungen des Handelskonflikts auf die heimische Wirtschaft abzufedern, beschloss die chinesische Regierung Investitionen lokaler Behörden in Infrastrukturprojekte zu erleichtern. Demnach soll den Entscheidungsträgern in den Lokalregierungen erlaubt werden, Liquidität aus dem Verkauf spezieller Anleihen zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten zu nutzen (und damit auch ausgewählte Projekte außerhalb der regulären Haushalte finanzieren). Vorbehaltlich der Verhandlungen sollen am 15.Juni (Sa) die Erhöhung der Importzölle von 10% auf 25% auf zusätzliche chinesische Importgüter im Wert von 200 Mrd. US-Dollar in Kraft treten.

Eine Einigung im Zollstreit – sei es mit Mexiko oder perspektivisch auch mit China – scheint jedoch auch für die US-Konjunktur von Vorteil, zumal ein schwacher US-Arbeitsmarktbericht eine erste Eintrübung der Arbeitslage in den USA angedeutet hat. Ein enttäuschender Stellenaufbau zusammen mit einem verhaltenen Lohnwachstum – und damit Inflationsdruck – schürten hingegen wiederum die Hoffnung, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in Kürze die Zinsen senken könnte. Ähnlich könnten auch die Aussagen einiger Fed-Gouverneure interpretiert werden, die in den letzten Tagen ihre Bereitschaft für eine Lockerung der Geldpolitikbekundet hatten. Der Kapitalmarkt preist mittlerweile bis Anfang 2020 Reduzierungen der Fed Funds Rate um insgesamt rund 0,75% ein und die Futures implizieren für das FOMC-Meeting im Juli eine Zinssenkungswahrscheinlichkeit von über 80%. Sollte dies eintreten, würde das genau der durchschnittlichen 8-monatigen Pause zwischen einer Zinserhöhung bzw. -senkung durch die Fed seit 1985 entsprechen.

Nach vorne blickend wird das insgesamt fragile Konjunkturumfeld maßgeblich von der jüngsten Eskalation des US-geführten Handelskonfliktes belastet, wodurch sich die Hoffnungen auf eine zumindest temporäre Stabilisierung der Weltwirtschaft in den Mittelquartalen dieses Jahres zerschlagen könnten. Allerdings werden erst die hochfrequenten Makrodaten der kommenden zwei bis drei Monate eine Antwort darauf liefern, wie stark die geopolitischen Faktoren auf der globalen Konjunktur lasten. Eines dürfte jedoch als sicher gelten: Je länger der Handelskrieg dauert und je breiter er streut, desto größer wird das Risiko eines abrupten Endes des bereits langlaufenden Konjunkturaufschwungs.

Die Woche Voraus
Aus den USA kommen einige aufschlussreiche Indikatoren. Diverse Frühindikatoren wie der Empire State Index (Mo), der Philly Fed Index (Do) oder der Markit Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe (Fr) könnten das Bild einer sich leicht abschwächenden US-Konjunktur fortschreiben. Höchste Aufmerk-samkeit dürfte der Leitzinsentscheidung der US-Notenbank am Mittwoch zuteilwerden. Welche Überlegungen zieht die Fed aus der letzte Woche stattgefundenen Chicago Fed Konferenz auf ihre zukünftige Geldpolitik? Und wird der Boden bereits für eine erste Leitzinssenkung im Juli geebnet?

In der Eurozone dürfte der ZEW-Konjunkturindex mit Interesse verfolgt werden, insbesondere die Subkomponente der Konjunkturerwartungen. Sind jene, zwar verzögert, doch eng korreliert mit dem Ifo-Geschäftsklimaindex und demnach mit der Konjunktur der größten Volkswirtschaft der Europäischen Union verbunden. Die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe (Fr) dürften die zuletzt etwas versöhnlicheren Kommentare in den Handelskonflikten (Mexiko, China) kaum widerspiegeln. Konjunkturell stehen für das Vereinigte Königreich die (Kern-)Verbraucherpreise (Mi) im Fokus. Zuletzt sorgten u.a. Energiepreise für einen vorübergehenden Inflationsschub. Mit Blick auf das 2.Halbjahr könnte die Gesamtrate nachlassen, da abnehmende energiepreisbedingte Basiseffekte voraussichtlich durch steigende Dienstleistungspreise ausgeglichen werden (angesichts des festen Arbeitsmarkts und höherer Lohnkosten). Die Bank of England (Do) dürfte daher ihren Zinserhöhungszyklus erst nach Umschiffen der Brexit-Klippen fortsetzen.

In Asien richtet sich die Aufmerksamkeit auf Japan. Während die Handelsdaten (Mi) im Kontext eines stärkeren Yens und vor dem Hintergrund des schwelenden Handelskonflikts gesehen werden sollten, dürften die (Kern-)Verbraucherpreise kein Argument für eine Leitzinsänderung der Bank of Japan liefern (Do).

Active is:
Gemäß der letzten Umfrage der American Association of Individual Investors (AAII) ist der Anteil der Bären unter den US-Privatanlegern in der abgelaufenen Woche mit über 40 % auf den höchsten Stand seit Januar 2019 gesprungen, während der Anteil der Bullen auf ein tiefsten Stand seit Dezember 2018 fiel. Das Put/Call-Verhältnis am US-Optionsmarkt liegt hingegen eine Standardabweichung unter dem langfristigen Durchschnitt, d.h. Markteilnehmer deckten sich mit Kaufoptionen (Calls) ein. Vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass sich institutionelle Investoren bereits im Vorfeld des G20-Gipfels auf der Käuferseite positioniert haben.

Stefan Scheurer
Director, Global Capital Markets & Thematic Research


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