Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 26.10.2018

„Katerstimmung an den Märkten“
An den Börsen überwog in den vergangenen Tagen weiterhin die Katerstimmung. Für Ernüchterung sorgte nicht nur das ergebnisarme EU-Gipfeltreffen zum Brexit, sondern auch die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und den USA. In den Mittelpunkt drängte sich aus Marktsicht aber vor allem der ausgabenfreudige Budgetentwurf Italiens für das kommenden Jahr. Die EU-Kommission scheint diesmal „kein Auge zuzudrücken“. Sie wies den Haushaltsentwurf am Dienstag zurück. Sollte Rom keine Anpassungen vornehmen, ist es gut möglich, dass der Rat der europäischen Finanzminister ein sog. „Verfahren bei einem übermäßigen Defizit“ einleitet. Das Hin und Her zwischen Brüssel und Rom – eine Kette von Empfehlungen, Gegenmaßnahmen und möglicherweise Sanktionen – dürfte die Anleger wohl in den nächsten Wochen beschäftigen.


Es wäre ein Bruch des Trends der vergangenen Jahre. Denn seit dem Jahr 2011 ist – gestützt durch Sparmaßnahmen, Konjunkturaufschwung und Niedrigzinsen – die Anzahl der europäischen Defizitsünder spürbar gesunken. Nachdem das Korrekturverfahren für Frankreich in diesem Jahr abgeschlossen wurde, unterliegt derzeit nur noch ein Mitgliedstaat, nämlich Spanien, dem „korrektiven Arm“ des Stabilitäts- und Wachstumspakts, nach noch 24 (!) EU-Ländern im Jahr 2011. 13 Staaten, darunter Deutschland, wiesen im vergangenen Jahr gar einen Überschuss im Haushaltssaldo auf. Insgesamt schrumpfte die Neuverschuldung von 1,7% im Jahr 2016 auf 1,0% der Wirtschaftsleistung. Wie Eurostat in dieser Woche weiterhin bekanntgab, belief sich die öffentliche Schuldenstandsquote Ende des zweiten Quartals 2018 auf 81,0% – ein stattlicher Rückgang von 2,4 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahresquartal. Kurzfristig dürfte für die Finanzmärkte – und damit wohl auch für die marktsensitive Reaktion aus Rom – aber entscheidend sein, dass Standard & Poor‘s bei der am Freitag anstehenden Ratingentscheidung weder die Kreditwürdigkeit Italiens auf „Ramschniveau“ herabstuft, noch den Ausblick senkt. Vergangene Woche hatte wenig überraschend Moody’s das Rating Italiens auf Baa3 gesenkt, d.h. eine Stufe über „Ramsch“, allerdings mit „stabilem Ausblick“.

Die Woche voraus
Angesichts der gestiegenen Wahrnehmung politischer Risiken – sei es bezogen auf die italienische Finanzdisziplin, einen möglicherweise ungeordneten „Brexit“ und den Handelskonflikt zwischen den USA und China – eines gereiften globalen Konjunktur-zyklus und der voranschreitenden Normalisierung der Geldpolitik halten sich die Börsianer nach der Korrektur Anfang Oktober bislang zurück, insbesondere in Europa. An den Rentenmärkten bleiben gegenwärtig angesichts verschnupfter Börsianer „sichere Häfen“ wie US-Treasuries und deutsche Bundesanleihen unterstützt.
In der kommenden Handelswoche richtet sich neben den politischen Spannungen das Augenmerk insbesondere auf die Fundamentaldaten: die laufende Berichtssaison für das dritte Quartal und eine Reihe von wichtigen Frühindikatoren.

  •  Berichtssaison: Angesichts der allseitigen Mollstimmung an den Märkten und einer Reihe heftiger Gewinnwarnungen in Europa könnten Unternehmenszahlen, die den vorsichtigeren Erwartungen entsprechen, schon ausreichen, um die Börsen auf den aktuellen Niveaus zu stabilisieren. 
  • Konjunktur: Die spätzyklische Konjunkturphase der Weltwirtschaft mit Wachstum leicht über Potenzial, anhaltenden Divergenzen auf Länderebene und graduell steigenden Inflationsraten hat sich bis in den Herbst fortgesetzt. In China dürfte der Caixin-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe (Do) bestätigen, dass die Konjunkturdynamik im Vergleich zum Jahresbeginn nachgelassen hat. Im September hatte die Industrieaktivität mit der geringsten Geschwindigkeit seit Oktober 2017 zugelegt. Hinweise darauf, ob die USA weiterhin positiv hervorstechen, gibt am Donnerstag der ISM-Index für das verarbeitendes Gewerbe. In Europa stehen die erste Schätzung für das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal (Di) im Mittelpunkt – die Konsenserwartungen sind verhalten – sowie die Verbraucherpreisentwicklung im Oktober (Mi) – der unterliegende Reflationierungstrend wird sich angesichts des festeren Arbeitsmarkts vermutlich fortsetzen. Ein Umfeld, in dem die Europäische Zentralbank ebenso wie die Federal Reserve ihren behutsamen Normalisierungskurs fortsetzt, was einem anhaltenden Renditerückgang an den Rentenmärkten entgegensteht.
  • Politik: Angesichts der holprigen Brexit-Verhandlungen wird die Bank of England dagegen am Donnerstag wohl keinen weiteren Zinsschritt veranlassen. Die Ergebnisse der europaweiten Banken-Stresstests könnten einmal mehr das Thema Italien in den Vordergrund spielen. Während der Anteil notleidender Kredite in den italienischen Bankbilanzen in den vergangenen Quartalen spürbar auf 10,8% im ersten Quartal 2018 von noch ca. 15,2 % im vierten Quartal 2016 gesunken ist, bereitet der hohe Anteil italienischer Staatsanleihen an den Bankaktiva von etwa 9% manchem Investor Kopfschmerzen.

    Active is
    Wir bewegen uns weiterhin in einem Umfeld robusten weltwirtschaftlichen Wachstums, moderater Reflationierung und niedriger oder negativer Realzinsen. Doch ein reiferer globaler Konjunkturzyklus die schrittweise geldpolitische Normalisierung dies- und jenseits des Atlantiks und erhöhte politische Unsicherheit bedeuten, dass wir uns auf mehr Volatilität einstellen müssen, als wir es in den letzten Jahren gewohnt waren. In diesem Umfeld bleibt Fingerspitzengefühl gefragt, um bei der Assetallokation zwischen Gewinnern und Verlieren zu unterscheiden

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