DWS CIO View - 05. November 2020

US-Wahlen: Ende offen

Die Macht in Washington werden sich die Parteien voraussichtlich weiter teilen müssen. Das macht ein größeres Stimuluspaket und Steuererhöhungen unwahrscheinlicher.

  • Stand jetzt, werden Anleger auf klare Ergebnisse noch länger warten müssen.
  • Der voraussichtliche Wählerwille macht radikale Änderungen der Wirtschaftspolitik unwahrscheinlicher, egal wer das Weiße Haus regiert.
  • Gleichzeitig steigt aber auch die Gefahr einer weiteren Lähmung der Fiskalpolitik.

Wahlausgang - was wir bisher wissen

Das war es wohl mit der Hoffnung auf ein schnelles, rechtzeitiges und entscheidendes Ergebnis bei den Wahlen in den USA. Während die Auszählung in mehreren Schlüsselstaaten noch andauert, müssen sich die Anleger wohl auf eine Zitterpartie einstellen. Zum Zeitpunkt des Schreibens scheint es fast sicher zu sein, dass die Demokraten die Kontrolle über das Repräsentantenhaus behalten werden, während die Republikaner gute Chancen haben, ihre Senatsmehrheit zu behalten. Was die Präsidentschaft anbelangt, ist weiter alles offen, und dieser Zustand könnte schlimmstenfalls noch einige Tage andauern.

Auswirkungen auf Märkte und Politik

Die Märkte schätzen Unsicherheit im Allgemeinen nicht. Positiv zu vermerken ist jedoch, dass die Stimmabgaben weitgehend reibungslos verlaufen sind. Die reine Stimmenauszählung, abgesehen von kleineren Pannen wie etwa in Georgia, ist bisher entsprechend gut verlaufen. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Wahlbeteiligung ungewöhnlich hoch war und die Wahl inmitten einer Jahrhundert-Pandemie stattfand.

Das voraussichtliche Votum der US-Wähler macht radikale wirtschaftspolitische Kurswechsel unwahrscheinlicher, ganz gleich, wer am Ende das Weiße Haus gewinnt. Angesichts der wahrscheinlich knappen Mehrheitsverhältnisse im Senat wird der künftige Präsident regelmäßig moderate Senatoren beider Parteien für Gesetzesvorhaben auf seine Seite ziehen müssen. Das bedeutet zum Beispiel, dass selbst im Falle eines Sieges von Joe Biden die Wahrscheinlichkeit einer umfänglichen Revision der Unternehmenssteuersenkungen von Donald Trump recht gering wäre. Und ein wiedergewählter Präsident Trump wäre weiterhin auf die Zusammenarbeit mit den Demokraten des Repräsentantenhauses angewiesen, um etwa ein Stimuluspaket anzuschieben.  

Das Risiko einer fortwährenden fiskalpolitischen Lähmung steigt. Überhaupt hat sich die Aussicht auf grundlegende Reformen, von der Gesundheitsversorgung über den Klimawandel bis hin zu großen Infrastrukturpaketen, nun verschlechtert.

Auswirkungen auf Anlageklassen:

  • Anleihen:

    Angesichts der bisherigen Ergebnisse dürften die fiskalischen Stimuli begrenzter (wenn auch gezielter) ausfallen als bei einem klaren (Dreifach-) Sieg der Demokraten, welchen die Märkte zuletzt zunehmend antizipiert hatten. Wir gehen davon aus, dass die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen unterhalb von einem Prozent notieren werden. Das stützt unsere Ansicht, dass die Zinssätze länger niedrig bleiben werden.

    Unternehmensanleihen haben sich sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa bislang gut behauptet, aber weitere politische Unsicherheit könnte zu kurzfristigen Kursverlusten führen. Anleihen von Schwellenländern werden wahrscheinlich am volatilsten sein; wir würden eine Ausweitung der Risikoprämien als attraktive Einstiegsmöglichkeit betrachten, auch wenn die Auswahl hier entscheidend ist.

  • Währungen:

    Der US-Dollar hat bereits einen Teil des Bodens wieder aufgeholt, den er in den letzten Wochen verloren hatte. Wir sehen ihn weiterhin bei einem 12-Monatsziel von 1,15 Dollar pro Euro.

  • Aktien:

    Orientiert man sich an den Futures-Märkten von heute Morgen, dürften die Aktienmärkte auch in den kommenden Tagen noch von den Wasserstandsmeldungen zur Wahl aus den USA geprägt sein. Unserer Ansicht nach ist es besser, sich auf die Fundamentaldaten zu konzentrieren, als diese Meldungen ständig zu bewerten. Wie bereits erwähnt, hat die Wahrscheinlichkeit höherer Unternehmenssteuern bereits abgenommen. Natürlich könnte eine Biden-Regierung immer noch viele Deregulierungsschritte rückgängig machen, aber insgesamt würde ein knapper Sieg wahrscheinlich Joe Bidens zentristischen Instinkt fördern, nicht zuletzt im Hinblick auf den Energiesektor. In der Zwischenzeit müsste sich ein wiedergewählter Präsident Trump immer noch mit der Covid-19-Pandemie befassen.

  • Alternative Anlageklassen:

    Sowohl privatwirtschaftliche Infrastrukturprojekte als auch nicht-börsennotierte Immobilien werden darauf angewiesen sein, dass der künftige Präsident Mehrheiten im Kongress sichern kann. Zusätzlich zu den breit angelegten Infrastruktur- und Steueranreizplänen werden auf die nächste Regierung viele spezifische Aufgaben zukommen: von Breitband-Internetverbindungen in ländlichen Gebieten bis hin zur Politik in den Bereichen Hypothekensteuern, Einwanderung und Umweltregulierung. Das bisherige Wahlergebnis sieht erstmal noch neutral aus. Viel wird aber nicht nur vom nächsten Präsidenten, sondern auch von seinen Ernennungen für das Kabinett abhängen. Selbst bei den reibungslosesten Wahlkämpfen dauert das normalerweise eine Weile.

RECHTLICHER HINWEIS

Dieser Bericht ist ausschließlich an DWS Kunden gerichtet und nicht an die Wahlbevölkerung der Vereinigten Staaten. DWS hat nicht die Absicht, bei den Wahlen für ein bestimmtes Ergebnis zu werben. Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als nicht zutreffend oder nicht korrekt herausstellen können. Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.

DWS Investment GmbH; Stand: 04.11.2020
CRC 079273 (11/2020)