DWS CIO View vom 24.02.2022

Ein neues geopolitisches Kapitel

Russlands Einmarsch in die Ukraine hat begonnen, wenig scheint Putin stoppen zu können. Wir überprüfen unsere Prognosen, das Inflations- und Rezessionsrisiko haben zugenommen.

Russland dringt in die Ukraine, Putin fordert "Entmilitarisierung" und "Entnazifizierung"

Nachdem Wladimir Putin seinen Truppen befohlen hat, von drei verschiedenen Seiten in die Ukraine einzumarschieren, und erklärt hat, dass die Ukraine "entmilitarisiert" und "entnazifiziert" werden müsse, ist mehr als deutlich geworden, dass er keine Salamitaktik verfolgt, noch dass seine Handlungen kurzfristig weder durch diplomatische Gespräche oder gar durch Sanktionen des Westens beeinflusst werden können. Dennoch erwarten wir, dass der Westen die Sanktionen deutlich verschärfen wird. Es wird auch wichtig sein, die chinesische Haltung zu diesem Konflikt zu beobachten, bisher hat sich Peking weitgehend neutral zur Invasion geäußert.

Die Märkte zeigen einige Stresssymptome. Europäische Aktien sind um 4,5 Prozent gefallen, die osteuropäischen Märkte verloren fast 10 Prozent und russische Aktien haben ein Drittel ihres Wertes verloren. Der Ölpreis stieg um mehr als sieben US-Dollar auf über 100 US-Dollar, während die europäischen Gaspreise mit einem Plus von über 30 Prozent den größten Anstieg verzeichneten. Der Euro hat gegenüber dem Dollar über einen Prozent verloren, während der Rubel seine jüngsten Rückgänge noch verstärkte. Die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen sanken um 10,4 Basispunkte auf 0,12 Prozent und 10-jährige Treasuries gaben um 14 Basispunkte auf 1,85 Prozent nach. Gold ist um mehr als drei Prozent gestiegen.1 Wir gehen davon aus, dass die Märkte noch einige Tage lang sehr volatil bleiben werden, bis Klarheit über das Ausmaß der westlichen Sanktionen und ein besseres Verständnis darüber herrscht, ob Putin an den ukrainischen Grenzen zu anderen postsowjetischen Staaten Halt machen wird. Die Zentralbanken werden ihre Politik überdenken und flexibel bleiben. Die Risiken einer Rezession in Europa haben zugenommen, daher werden unsere strategischen Prognosen überprüft.

Der Kalte Krieg kehrt zurück. Risikoprämien und Energiepreise im Fokus

Präsident Putin hat in dieser Woche gleich mehrere rote Linien überschritten. Es stellt sich die Frage, was ihn aufhalten könnte. Wie es scheint, hält sich der russische Staatschef sehr stark an sein Drehbuch, das er am Montag in Form einer Rede im Fernsehen vorstellte, welches er aber schon viel früher entwickelt hat. Dieses Drehbuch sieht die Wiedervereinigung größerer Teile der ehemaligen Sowjetunion unter russischer Führung vor, nicht nur der Ukraine. Als worst-case Perspektive muss man das im Hinterkopf behalten. Obwohl wir nicht in der Lage sind, die Oppositionskräfte aus seinen inneren Führungskreisen zu beurteilen, sehen wir wenig, was ihn derzeit davon abhalten könnte, die Ukraine ganz zu übernehmen. Es ist unwahrscheinlich, dass die NATO-Truppen in größerem Umfang eingreifen. Wir glauben, dass sich Europa schon jetzt auf einen größeren Zustrom von Flüchtlingen einstellen muss. Sollte es zu keiner nennenswerten Deeskalation kommen, muss sich Europa möglicherweise auch auf größere Cyberangriffe aus Russland einstellen. Während diese beiden Punkte die europäische Wirtschaft bereits belasten könnten, dürften die größten Auswirkungen von den Energieimporten, vor allem Erdgas, ausgehen. Ein erheblicher Gaspreisschock oder sogar eine Kürzung der Gaslieferungen könnte leicht zu einer Rezession in Europa führen (ganz zu schweigen von einer höheren Inflation). Die EZB hat kürzlich eine Simulation durchgeführt, nach der sich eine 10-prozentige Kürzung der Gaslieferungen die Bruttowertschöpfung um etwa 0,7 Prozent reduzieren würde.2

Die Märkte werden Zeit brauchen, die neue geopolitische Lage zu bewerten

Nach einer ersten Schockstarre warten die Märkte auf mehr Klarheit über den Umfang der westlichen Sanktionen und mögliche Gegenmaßnahmen Russlands. Die Marktdynamik nach unten könnte sich verstärken, wenn bestimmte Risikolimits bei institutionellen Anlegern ausgelöst werden oder wenn Kleinanleger in Panik geraten. Gleichzeitig lehrt uns die historische Erfahrung, dass solche Tage auch kein guter Zeitpunkt für Verkäufe sind. Für Russland werden die größten Auswirkungen im Finanzsektor, einschließlich des Wertpapierhandels, zu spüren sein. Der Westen, vor allem Europa, ist am anfälligsten, wenn es um Rohstoffimporte geht. Wir glauben, dass die Energiepreise für längere Zeit mit einem Risikoaufschlag handeln werden. Dies wiederum macht die Reaktion der Zentralbanken schwieriger vorhersehbar. Auch wenn sie versucht sein werden, die Wirtschaft bei Bedarf zu stimulieren oder zumindest die finanziellen Bedingungen nicht zu schnell zu verschärfen, könnten sie für einen längeren Zeitraum als erwartet mit potenziell höheren Inflationsraten konfrontiert werden. Da die europäische Wirtschaft viel stärker von Energielieferungen aus Russland abhängig ist, sollte sich hier das veränderte Inflationsbild stärker bemerkbar machen. Dem stehen die heute fallenden Renditen in Europa und den USA gegenüber. Bei Staatsanleihen erwarten wir eine weitere Abflachung am längeren Ende der Kurve (10 bis 30 Jahre). Bei europäischen Unternehmensanleihen sind wir nunmehr vorsichtiger geworden.

Auch bei den Aktien stehen die europäischen Vermögenswerte im Zentrum des Sturms. Sogenannte sichere Häfen (US-Aktien, Japan, der Schweizer Markt, der Gesundheitssektor, Basiskonsumgüter) und der öl-nahe Sektoren (Großbritannien, Energiesektor) dürften sich besser entwickeln, während zyklische Sektoren und Europa ex Großbritannien mit einem schwierigeren Umfeld rechnen müssen. Finanzwerte der Eurozone könnten durch verzögerte Zinsschritte der EZB und eine Entflechtung der Beziehungen zum russischen Finanzsystem beeinträchtigt werden. Die Anleger werden ihre Risikoprämie für einzelne Aktien anpassen, je nachdem, wie stark sie direkt oder indirekt in Russland und der Ukraine engagiert sind, ob als Absatz- oder Beschaffungsmarkt. Russische Aktien sind um mehr als ein Drittel gefallen, doch sie machen weniger als 0,5 Prozent des MSCI AC World und weniger als drei Prozent des MSCI Emerging Market aus.


DWS-Fonds kaufen Sie über FondsSuperMarkt zu besonders günstigen Konditionen!

  1. Dauerhaft 100% Rabatt auf den Ausgabeaufschlag
  2. Kostenloses Depot
  3. Keine Transaktionskosten
  4. Sichere Verwahrung bei einer deutschen Depotbank

mehr erfahren


Rechtliche Hinweise

Alle Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung von DWS Investment GmbH wieder, die sich ohne vorherige Ankündigung ändern kann.

Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als nicht zutreffend oder nicht korrekt herausstellen können.

Alternative Anlagen sind mit diversen Risiken behaftet, nicht unbedingt für jeden Anleger geeignet und für jedes Portfolio verfügbar.

Fußnoten

1Alle Preise mit Stand 12:00 Uhr CET; Quelle Bloomberg Finance L.P.

2Economic Bulletin Issue 1, 2022 (europa.eu)