Europas Chance

Allianz Global Investors

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 02.05.2025

In einer Welt externer Schocks, schwindender Gewissheiten und steigender Unsicherheit empfiehlt die Resilienzforschung, sich auf kleine, umsetzbare Maßnahmen zu konzentrieren – Dinge, die man selbst beeinflussen kann und die schrittweise die Hoffnung auf Besserung nähren. Was für den Einzelnen bei der Bewältigung von Schicksalsschlägen und Krisen gilt, dies könnte auch als empfehlenswerter Ansatz für einen ganzen Kontinent herhalten – gemeint ist Europa.

Und Unsicherheiten gibt es genügend. Europa ist mit einem von den USA angezettelten Handelskonflikt konfrontiert, zudem mit der Aufgabe, unter großem (Zeit-)Druck seine Verteidigungsfähigkeit auf eine neue Basis zu stellen. Erste Schritte sind gemacht oder zumindest angekündigt, und diese können durchaus als kraftvoll beschrieben werden. Im Handelskonflikt setzt die EU bislang auf besonnene Gegenmaßnahmen, die je nach weiterer Entwicklung ver- oder entschärft werden könnten. Mit dem Programm „Bereitschaft 2030“ (for EN translation: Readiness 2030) mobilisiert die EU bis zu 800 Mrd. Euro für Verteidigungsausgaben, das größte EU-Mitglied Deutschland hat für Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben seine Schuldenbremse gelockert und könnte über eine Dekade circa eine Billion Euro investieren - grob überschlagen entspricht dies pro Jahr mehr als 2% des deutschen Bruttoinlandsprodukts.

An den Kapitalmärkten wurden die Bemühungen Europas sich den Herausforderungen zu stellen bisher wohlwollend wahrgenommen: So konnte sich der europäische Aktienmarkt in einem unruhigen Marktumfeld nicht nur relativ sondern sogar direktional vom US-amerikanischen Leitmarkt abkoppeln. Zum Zeitpunkt des Schreibens (Ende April) stehen für europäische Aktien je nach Markt eine positive Performance von 5-10% seit Jahresbeginn zu Buche, während die US-Märkte im gleichen Zeitraum im einstelligen Prozentbereich abgaben. Ebenfalls seit Jahresbeginn hat der Euro gegenüber dem US-Dollar um fast 10% aufwerten können.

Diese Trends spiegeln sowohl einen Vertrauensverlust gegenüber amerikanischen Vermögenswerten wider als auch die oben beschriebenen Maßnahmen auf europäischer Seite sowie die Optionalitäten, die sich dem „alten Kontinent“ in den kommenden Jahren eröffnen könnten.

Fiskalische Expansion zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit dürfte aber als alleinige Strategie, um Investorenkapital zum Umzug nach Europa anzuregen, kaum ausreichen. Was benötigt wird ist nicht nur die Stärkung der Nachfrage- sondern auch der Angebotsseite, damit das Potentialwachstum wieder steigt. Vor allem bei der Deregulierung dürften ein paar niedrig hängende Früchte zu ernten sein. So zeigt eine Analyse des Internationalen Währungsfonds, dass die Handelsbarrieren innerhalb der EU trotz des Binnenmarktes vor allem im Dienstleistungssektor beträchtlich sind. Auf den Feldern Produktivität und Innovation ist die Position Europas im globalen Vergleich inzwischen stark ausbaufähig. Ein Mittel zur Besserung sollte ein besser integrierter Kapitalmarkt mit mehr Breite und Tiefe sein. Die vorbereiteten Pläne zu Kapitalmarktund Bankenunion warten auf Umsetzung.

In relativer Betrachtung gegenüber den USA könnte der Eurozone auch die weiterhin von hoher Unsicherheit geprägte Lage in den Vereinigten Staaten helfen, in der Gunst globaler Anleger Boden gutzumachen. Aus der Vogelperspektive betrachtet, leiden die USA gerade unter verschiedenen Angebotsschocks: Die Handelspolitik schürt nicht nur enorme Unsicherheit, sondern erhöht auch Importpreise und setzt etablierte Lieferketten unter starken Anpassungsdruck. Daneben dürfte mittelfristig über eine stark gedrosselte Zuwanderung sowie die Abschiebungen von nicht-registrierten Arbeitskräften das Wachstum der erwerbsfähigen Bevölkerung schrumpfen und damit das Potentialwachstum. Auch die aufkommende Diskussion um die Unabhängigkeit der Notenbank Federal Reserve hat die Märkte kurz beunruhigt, die Situation konnte allerdings zügig beruhigt werden.

Zusammenfassend gilt: Auch wenn sich am Horizont kein europäisches Wirtschaftswunder abzeichnet, so könnte die derzeitige Situation dennoch dazu führen, zuletzt schlummerndes Potential zu neuem Leben zu erwecken. Das könnte den Kontinent bei Anlegern in einem neuen Licht erscheinen lassen und er könnte zu den (relativen) Gewinnern gehören.

Das Gesamtbild legt folgende taktische Allokation für Aktien und Anleihen nahe:

  • Die Lage an den Kapitalmärkten dürfte weiter von hoher Unsicherheit und entsprechend hohen Kursschwankungen geprägt sein. Dennoch könnte das Bestreben der Trump-Administration, in der Zollpolitik die Wogen zu glätten, auf eine zumindest zeitweilige Beruhigung der Lage hindeuten. Ein weiteres Indiz dafür ist, dass die USRegierung auf Verkaufsdruck der Kapitalmärkte zu reagieren scheint – hier vor allem auf steigende Renditen langlaufender US-Staatsanleihen.
  • Die Unsicherheit dürfte auch in der Realwirtschaft ihren Tribut fordern. Nach der spürbaren Abkühlung verschiedener Sentimentdaten dürften die Kapitalmärkte sehr feine Antennen für eine Abkühlung der US-Konjunktur, insbesondere der Produktion, der Auftragseingänge und des Konsums aufweisen.
  • Mittelfristig stehen die USA vor starken fiskalischen Herausforderungen. Die Einnahmen aus Zöllen und aus Sparmaßnahmen dürften kaum zur Gegenfinanzierung von Steuersenkungen ausreichen. Falls die Ende dieses Jahres auslaufenden Steuererleichterungen nicht verlängert werden, würde die US-Konjunktur allerdings auf eine starke fiskalpolitische Straffung zulaufen.
  • Bei Betrachtung dieses Umfeldes erscheinen die Risikoprämien, insbesondere auf den US-Märkten, nicht besonders hoch. Dies gilt beispielsweise für die Kurs-Gewinn-Verhältnisse auf den US-Aktienmärkten als auch für die Laufzeitprämien für langlaufende US-Staatsanleihen. Der US-Dollar bleibt gemäß Kaufkraftparität merklich überbewertet.
  • Die deutlich moderatere Bewertung der Aktienmärkte außerhalb der USA deutet weiterhin darauf hin, dass Kapital mittelfristig aus den USA in andere Märkte abfließen könnte. Wie oben dargestellt bietet gerade Europa ein ausgeglicheneres Chance-/Risikoverhältnis bei gleichzeitig attraktiveren Risikoprämien.
  • Die Aktienmärkte stehen vor der Berichtssaison zum ersten Quartal 2025. Die Gewinnschätzungen der Analysten wurden zuletzt heruntergenommen, allerdings mit einer gewöhnlichen Geschwindigkeit. Es ist zu erwarten, dass sich die Aussichten der Unternehmen zunehmend differenzierter entwickeln werden. Ein wichtiger Faktor dürfte beispielsweise sein, wie stark Lieferketten von den Zollerhöhungen betroffen sein werden.
  • Die Zentralbank Federal Reserve dürfte vor schwierigen Wochen stehen. Es deutet sich ein Zielkonflikt zwischen sich abschwächender Konjunktur und Beschäftigung bei gleichzeitig unsicherem Inflationsausblick an. Zinssenkungen erscheinen weiter möglich, allerdings womöglich in geringerem Maße als derzeit erwartet. In diesem Spannungsfeld bewegen sich auch die US-Anleihenmärkte. Die Erwartung einer steiler werdenden Zinskurve erscheint in diesem Umfeld weiter angemessen.
  • Dagegen sieht der Ausblick für die Europäische Zentralbank unkomplizierter aus: Zyklisch erscheint der Inflationsdruck geringer zu werden und der unsichere Konjunkturausblick aufgrund des Handelskonflikt verstärkt diesen Eindruck. Außerdem sollte sich der Inflationsdruck durch einen gegenüber dem US-Dollar aufgewerteten Euro abschwächen. In der Eurozone dürften also weitere Zinssenkungen bevorstehen, davon dürften auch die dortigen Anleihemärkte profitieren.
  • Diese Divergenz in der Geldpolitik könnte die Aufwertungsbewegung des Euros gegenüber dem US-Dollar zunächst etwas aufhalten. Das Währungspaar wird aber vermutlich weiter auch vom global gegenüber dem USDollar aufgebrachten Vertrauen beeinflusst werden. Mangels Alternativen dürfte die Stellung des Dollars als globale Reservewährung zunächst allerdings nicht gefährdet werden.

Investmentthema:

Kapitaleinkommen in Zeiten der Disruption

  • Demographie: Die Weltbevölkerung wächst, aber die Zuwächse werden immer geringer, während die Menschen immer länger leben. Die Weltbevölkerung wird insgesamt älter, das Erwerbspersonenpotenzial geht zurück – am stärksten in den Industriestaaten.
  • Digitalisierung: Die „smarten Maschinen“ führen zu massiven Veränderungen der Beschäftigungsstrukturen.
  • Neben der Frage, welche Arten von Arbeiten für den Menschen noch bleiben werden und wie viele Stellen es geben wird, tritt zwangsläufig auch die Frage, nach deren Bezahlung. Arbeitsökonom Richard Freeman sieht hier einen Paradigmenwechsel im Zusammenspiel von menschlicher und Maschinenarbeit. Mit leichter Ironie bringt es Freeman auf den Punkt mit der Frage: „Arbeitest Du für die Roboter, oder arbeiten die Roboter für Dich?“.1
  • Zeit also, über Kapitaleinkommen nachzudenken, welches das Arbeitseinkommen ergänzt. „Roboter“ und „Demographie“ sprechen dafür.
  • Gerade im Zeitalter der smarten Maschinen und gesetzlicher Rentenkassen, die unter dem Druck der Demographie stehen, brauchen wir mehr Kapitaleinkommen. Aber nicht nur das. Natürlich gibt es für Kapitaleinkommen noch sehr viel mehr angenehme Verwendungsmöglichkeiten. Ein zusätzliches Urlaubsgeld, Geld für laufende Anschaffungen, ein „Großeltern Bafög“ aus dem die Enkel in Ausbildung und Studium unterstützt werden, …
  • Kapitaleinkommen kann sich dabei aus zwei Quellen speisen: Zinsen aus Bankeinlagen, Kupons, die auf Anleihen bezahlt werden oder Dividenden, die auf Aktien ausgeschüttet werden.
  • Zeit also, bei seinen Investitionen nicht nur auf die Gesamtrendite zu achten, sondern auch auf die zu erwartenden Zahlungsströme. Warum sollte unser Geld (respektive die „Roboter“) auch nicht für uns arbeiten?

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Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy

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Fußnote

1 Freeman, R. B. (2018). Employee and citizen ownership of business capital in the age of AI Robots. CSR und Mitarbeiterbeteiligung: Die Kapitalbeteiligung im 21. Jahrhundert–Gerechte Teilhabe statt Umverteilung, 101-108. SpringerGabler. Wiesbaden.