LFDE Fondsinterview zwischen €uro am Sonntag und Rolando Grandi - Januar 2021

Zwei Portfolios der Pariser Fondsboutique LFDE lieferten 2020 Top-Ergebnisse. Die Gründe "Nachfrage wird hoch bleiben"

von Andreas Hohenadl

Der gebürtige Bolivianer und bekennende Tech-Fan Rolando Grandi arbeitet seit 2017 für das französische Fondshaus La Fi-nancière de l’Echiquier (LFDE). 2020 war für ihn besonders erfolgreich: Der von ihm gelenkte Global aktienfonds Echiquier World Next Leaders platzierte sich an der Spitze seiner Kategorie. Und auch sein Technologiefonds Echiquier Artificial Intelligence stand am Jahresende unter den Top Fünf seiner Rubrik. Wie erklärt Grandi den Erfolg?

€URO AM SONNTAG:
Herr Grandi, warum haben sich Ihre Fonds 2020 so gut entwickelt? Was waren die Treiber?
ROLANDO GRANDI:
2020 war ein sehr spezielles Jahr. Covid-19 begann als Gesundheitskrise in China und entwickelte sich zu einer globalen Wirtschaftskrise. In dieser Zeit haben wir gese-hen, dass wir in viele Trends, die plötzlich wichtig wurden und sich beschleunigt haben, mit dem Artificial Intelligence und dem World Next Leaders bereits investiert waren.

Welche Trends meinen Sie?
Beispiele sind Telemedizin, E-Commerce, Streaming oder Videospiele. Schon 2019 registrierten wir, dass es sich dabei um strukturelle Trends in unserer Wirtschaft handelt. Was 2020 hinzugekommen ist, ist Folgendes: Regierungen, Unter-nehmen, Verbraucher — sie alle stellten plötzlich fest, dass die neuartigen Dienstleistungen und Produkte zu Zeiten der Kontakteinschränkung sehr, sehr nützlich sind. Schauen Sie sich nur den Bereich E-Commerce an: Es dauerte ungefähr 20 Jahre, von den Ursprüngen im Jahr 2000 bis 2019, bis der Onlinehandel auf einen Anteil von etwa zehn Prozent am gesamten Einzelhandel kam. Während der ersten fünf Monate von Covid-19 ist dieser Anteil auf 20 Prozent gestiegen. Eine Verdoppelung in nur fünf Monaten! Oder nehmen Sie das Cloud-Geschäft: Satya Nadella, der Chef von Microsoft, sagte, dass zwei Monate Lockdown im Frühjahr ausreichten, um die digitale Transformation um drei normale Jahre voranzutreiben.

Denken Sie, dass solch hohe Renditen in Zukunft noch einmal möglich sind?
Zunächst einmal bin ich davon überzeugt, dass die Nachfrage nach bestimmten Produkten und Services, die aktuell wichtig sind, auch künftig hoch bleiben wird. Die Durchdringungsrate ist in vielen Bereichen noch immer niedrig. Ein gutes Beispiel ist die Telemedizin: Vorher von vielen skeptisch betrachtet, war sie in der Corona-Krise im Frühjahr oft die einzige Mög-lichkeit, medizinischen Rat einzuholen. Als es wieder einfacher wurde, einen Arzt zu besuchen, haben viele trotzdem erst einmal eine Telekonferenz gestartet und sind nur dann zum Arzt gegangen, wenn es unbedingt nötig war. Ich denke also, der Siegeszug neuer Technologie wird weitergehen.

Vielleicht nicht ganz so schnell wie 2020, oder?
Das war sicher ein Ausnahmejahr. Trotzdem rechne ich mit weiterhin hoher Nachfrage. Und was aus Sicht der Unternehmen, in die wir investieren, interessant ist: Die Kosten, neue Kunden zu gewinnen, haben abgenommen. Das steigert ihre Profitabilität. Ich erwarte also auch künftig eine hohe Performance — auf Sicht der kommenden fünf Jahre auf alle Fälle besser als mit anderen Anlagestrategien.

Sie sprachen von strukturellen Trends. Haben Sie Ihre Port­folios während der Pandemie zusätzlich angepasst?
Ja. Ein Beispiel ist der Bereich erneuerbare Energien. Der bekommt durch die Ausgabenprogramme vieler Staaten, die ihre Wirtschaft neu beleben wollen, mächtig Schwung, speziell wenn in den USA die Biden-Regierung übernimmt. Wir be-schlossen, dass wir auf zweierlei Weise in diesen Bereich investieren. Einmal direkt, über Firmen wie den französischen Solar- und Windkraftspezialisten Voltalia. Und zum Zweiten, indem wir unsere Beteiligungen an Datencentern ausbauen.

An Datencentern?
Ja, das klingt zunächst paradox, weil Datencenter sehr viel Energie verbrauchen. Aber die gute Nachricht ist, dass die Unternehmen, die Datencenter errichten, zunehmend auf erneuerbare Energien umschwenken, um dies zu tun. Oder sie kaufen vermehrt Emissionszertifikate, um ihren Verbrauch an konventioneller Energie auszugleichen.

Wie hoch ist denn der Anteil an Unternehmen aus den erneuer­baren Energien im Fonds?
Das sind aktuell etwa vier bis fünf Prozent, die explizit in diesen Bereich fallen. Aber wie erwähnt investieren wir auch in Unternehmen, die zunehmend effizienter mit der zur Verfügung stehenden Energie umgehen. Ein Beispiel ist das US- Unternehmen Cloudflare. Das stellt Dienste bereit wie diese Videokonferenz, über die wir uns gerade unterhalten und die dank fortschrittlicher Technologie nur etwa ein Zehntel so viel Energie benötigt wie bisher.

Bringt der schnelle technologi­sche Wandel nicht auch viele Verlierer mit sich?
Es gibt definitiv Bereiche in unserer Wirtschaft, die sich unumkehrbar verändern und die vielleicht komplett ersetzt werden. Wenn Sie die großen Laster auf der Autobahn sehen, wissen Sie, dass die in ein paar Jahren wahrscheinlich ohne Fahrer unterwegs sein werden. Solche Entwicklungen können Sie nicht verhindern. Aber sie sind ja nicht zwangsläufig schlecht.

Inwiefern?
Während das passiert, entstehen ja auch neue Jobs und neue Jobkategorien. Was wir dafür aber dringend brauchen — und das müssen Regierungen und Unternehmen erkennen —, ist ein stärkerer Fokus auf Weiterbildung und Umschulung. Das ist eine gewaltige Herausforderung. Aber Technologie kann auch hierbei eine große Unterstützung sein. Ich denke an Bereiche wie personalisiertes Lernen oder erweiterte Realität — Augmented Reality.

Bildung ist demnach ein wichti­ges Thema für Ihren Fonds?
Ein entscheidendes. Und eben nicht nur die sogenannte Erstausbildung in Schule und Universität. Sondern auch die Ange-bote, die sich an 30-, 40- oder 50-Jährige richten, deren Arbeitsplatz dem technologischen Fortschritt zum Opfer fällt. Das kann praktisch jeden treffen — auch einen Fondsmanager. Bildung und lebenslanges Lernen gehören deshalb zu den wich-tigsten Zukunftsthemen.

In Zukunftsthemen oder Mega­trends investieren mittlerweile ja einige Fonds. Was unterschei­det den Echiquier World Next Leaders von diesen?
Die Portfolios dieser Kategorie setzen üblicherweise auf dieselben großen Unternehmen. Das ist überhaupt nicht verwerflich, denn Apple, Facebook, Google, Amazon sind großartige Unternehmen. Wir wollten unseren Anlegern aber ein Portfolio bieten, das eine Ergänzung zu solchen Large-Cap-Fonds sein kann. Deshalb konzentrieren wir uns auf mittelgroße Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung zwischen einer und 20 Milliarden Euro. Dieser Bereich ist unserer Ansicht nach bei Investoren unterrepräsentiert. Diese fokussieren sich entweder auf kleinere Unternehmen oder die Super-Mega-Caps.

Es gibt viele Anleger, die nach wachstumsstarken Unterneh­men suchen. Spielt es vor die­sem Hintergrund für Sie eine Rolle, ob ein Titel günstig bewertet ist?
Lassen Sie mich einen Vergleich mit einem anderen Sektor machen: Immobilien. Wenn Sie ein Haus kaufen, zeigt Ihnen der Preis pro Quadratmeter an, wie teuer das Ganze ist. Haben Sie nun das perfekte Haus gefunden — tolle Lage, bester Zustand —, werden Sie kaum sagen: Ich warte, bis es günstiger ist als der Marktdurchschnitt. Denn Sie wissen: Für die gute Aussicht und Bausubstanz ist einfach ein Aufschlag fällig. Warum sollte es bei Aktien anders sein? Sie haben ein superschnell wachsendes Unternehmen mit disruptiven Produkten. So etwas wird nicht zum Schnäppchenpreis gehandelt, zumindest in halbwegs effizienten Märkten.

Aber ein überteuertes Unter­nehmen wollen Sie sicher auch nicht kaufen, oder?
Nein, wenn wir einen Preisaufschlag zahlen, muss das durch ein wesentlich besseres Wachstum und ein niedrigeres Risiko im Vergleich zu anderen Unternehmen gerechtfertigt sein. Das kostet uns mit am meisten Zeit: abzuwägen, wie hoch der Preisaufschlag für uns sein darf. Denn einen Aufschlag gibt es für diese Art von Unternehmen, die große Märkte ad-ressieren. Wie ich schon sagte, ist die Durchdringung bei vielen Produkten und Dienstleistungen noch gering und die Wachstumsaussichten sind enorm.

Befürchten Sie, dass Ihre Fonds im Zuge einer Sektorrotation stark an Schwung einbüßen könnten?
Seit den ersten Erfolgsmeldungen bei den Impfstoffen sehen wir ja bereits eine Rotation am Markt: raus aus den Corona- Gewinnern, rein in Corona-Verlierer wie Airlines, Hotels oder Kreuzfahrtanbieter. Wir sind allerdings nicht besorgt, denn wir wissen, dass viel Liquidität geparkt ist, die nach Anlagechancen sucht. Davon sollten in den kommenden Jahren sowohl die zyklischeren Titel profitieren als auch die mit den langfristigen Wachstumsperspektiven.


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