Bei der Rentenvorsorge in Deutschland herrscht Reformbedarf. Darüber besteht in der Politik Einigkeit über alle Parteigrenzen hinweg. Das erkennt man aber auch beim Blick auf die erwartete Rente im eigenen Rentenbescheid. Was jeder Einzelne schon heute tun kann und was sich für Vorsorgende ändern muss.
Sechs wesentliche Änderungen, die den Wandel bringen könnten
Schon heute können wir in Deutschland Rentenbezüge aus drei Quellen erwarten (Drei-Säulen-System):
- Gesetzliche Rente
- Betriebliche Altersvorsorge
- Private Altersvorsorge
Mit Blick auf eine ganzheitliche und ausgewogene Betrachtung der Altersvorsorge besteht Reformbedarf in allen drei Säulen:
1. Mehr Fokus auf die eigene Vorsorge bei der gesetzlichen Rente
Schweden macht es vor: 80 % der Rentenbeiträge fließen in die umlagefinanzierte Rente, bei der Jüngere, die im Berufsleben stehen, mit ihren Beiträgen die Renten der Älteren zahlen. 20 % werden als sogenannte Prämienrente am Aktienmarkt investiert, um Renditen zu erwirtschaften. Die Beitragszahler können neben dem staatlichen Pensionsfonds aus mehr als 400 Fonds flexibel wählen, in die sie die Beiträge einzahlen.
2. Betriebliche Altersvorsorge (bAV) – verpflichtend und einfacher
Bereits heute lässt sich die bAV ideal mit dem Fondssparen umsetzen. In Deutschland können aber nur 65 % der Arbeitnehmer Zahlungen aus dieser freiwilligen Form der Altersvorsorge erwarten. Wichtig wäre eine verpflichtende Einzahlung in die Betriebsrente, wie etwa in der Schweiz. Auch ein Opt-Out-System ist denkbar, bei dem man sich aktiv gegen die Teilnahme entscheiden muss. Und es sollte einfacher werden, erworbene Ansprüche aus der bAV beim Wechsel des Arbeitgebers mitzunehmen. Vorbild können hierfür Kontenmodelle wie in den USA sein.
3. Steuerfreie Kapitalerträge für Altersvorsorgegelder
Der Zinseszinseffekt ist beim Aufbau eines Kapitalstocks fürs Alter von enormer Bedeutung. Der Staat sollte hier weniger über Steuern eingreifen und dadurch den Kapitalaufbau fördern. Schweizer Bürger können beispielsweise jährlich mehr als 7.000 Franken steuerfrei in Vorsorgepläne investieren und einfaches Umschichten zwischen verschiedenen Kapitalanlagen ist möglich.
4. Weniger auf Garantien, mehr auf Rendite setzen
Altersvorsorge ohne Rendite ist zu kurz gedacht, denn Rendite ist durch nichts zu ersetzen. Schon 2 % mehr können nach 20 Jahren bereits 25 % mehr Kapital bedeuten. Dahinter steckt der Zinseszins-Effekt: Über lange Zeiträume können deshalb auch vermeintlich kleine Unterschiede in der prozentualen Verzinsung große Wirkung entfalten. Eine garantierte, aber niedrige Verzinsung kann also in vielen Fällen die deutlich schlechtere Wahl sein.
5. Besserer Schutz der Altersvorsorgerücklagen vor Zugriff durch den Staat
Ist ein Mensch in Deutschland zeitweise auf staatliche Unterstützung angewiesen, müssen meist erst eigene Rücklagen aufgebraucht werden, bevor der Staat einspringt. Derzeit darf man z. B. bei Bürgergeldbezug nur ein sogenanntes Schonvermögen in Höhe von 40.000 Euro behalten. Riester- und Betriebsrenten betrifft das heute in der Regel nicht. Wer aber lebenslang in einem privaten Depot vorgesorgt hat und kurz vor Renteneintritt in Not durch Arbeitslosigkeit oder -unfähigkeit gerät, kann im Ruhestand dann trotz guter Vorsorge meist seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten.
6. Staatliche Förderung eines frühzeitigen Beginns der eigenen Vorsorge
Die geplante „Frühstartrente“ der Bundesregierung weist in die richtige Richtung. Früh mit dem Kapitalaufbau zu beginnen, langfristig einen gefassten Plan zu verfolgen und dabei auch Wertschwankungen auszuhalten, ist ein wesentlicher Schritt. Am besten wäre es, gar keine Zeit zu versäumen und gleich nach der Geburt zu beginnen – mit regelmäßigen Einzahlungen von nur 10 Euro/Monat könnte man bei einer Rendite von 6 % im Alter von 67 Jahren mit rund 240.000 Euro in Rente gehen.
Warum privat Vorsorgende nicht auf den Staat warten sollten
Die allerwichtigste Reform beginnt im Kopf. Denn viele Menschen in Deutschland scheuen vor einer Investition in Aktienmärkte als einer der renditeträchtigsten Anlagemöglichkeiten noch immer zurück. Dabei schenken sie kurz- bis mittelfristigen Schwankungen zu viel Aufmerksamkeit, statt sich bewusst zu machen, dass bei einer langfristigen Kapitalanlage wie für die Altersvorsorge die Zeit ein mächtiger Verbündeter ist.
Ein Blick in die Geschichte an den Aktienmärkten zeigt: Wer lange genug investiert, für den verlieren zwischenzeitliche Verlustphasen an Bedeutung. Wer zudem per Sparplan in Fonds investiert, kann Schwankungen meist leichter ausgleichen.
Beobachtungen wie diese belegen, dass das Verständnis für Möglichkeiten an den Aktienmärkten hierzulande dringend noch mehr wachsen muss: Wir brauchen mehr Finanzbildung in Deutschland!